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#332 Spricht meine Christologie gegen die Menschlichkeit Christi?

#332 Spricht meine Christologie gegen die Menschlichkeit Christi?

January 20, 2017

F

Sehr geehrter Prof. Craig,

meine Frage betrifft Ihr Modell der Inkarnation, insbesondere dessen Apollinarianismus. Die drei Leitplanken Ihrer Position lauten: 1) Christus hatte eine getrennte göttliche und menschliche Natur; 2) die Seele von Jesus ist der Logos, die zweite Person der Dreieinigkeit; 3) während seines irdischen Lebens besaß Christus ein gewöhnliches menschliches Bewusstsein. Das Problem, das ich bei diesem Modell sehe, besteht darin, dass Sie durch die Behauptung, ein Bestandteil der menschlichen Natur Jesu war der Logos, streng genommen den Anspruch untergraben, dass er wahrhaft Mensch ist.

Eine Fassette unseres Menschseins besteht darin, dass wir fähig sind, Gott direkt zu erfahren. Wir können mit der Trinität als einem Objekt der Wahrnehmung interagieren, wobei Gott sich selbst unserem Bewusstsein zeigt, um Gnade und Offenbarung zu schenken. Wir erhalten eine Gabe, durch die wir an der Beziehung und Liebe der Gottheit teilhaben können, wobei Gott, ein Agent, der außerhalb von uns ist, sich zu uns herabneigt. Sich von Gott zu unterscheiden, wie es für die Schöpfung zwingend notwendig ist, stellt einen bedeutsamen Aspekt der menschlichen Natur dar und gestaltet somit die Natur der menschlichen Beziehungen und Erfahrungen mit Gott.

Das Hauptproblem, mit dem sich Ihr Modell konfrontiert sieht, ist dessen Aussage, Jesus sei unfähig, das schöpferische Wort Gottes als ein Objekt wahrzunehmen, was grundlegend für die menschliche Natur ist. Weil er Logos ist, kann er nur mit dem Sohn Gottes als einem Subjekt interagieren. Dies löst Seine Menschlichkeit in Nichts auf, denn um Mensch zu sein, muss man fähig sein, mit Gott als einem externen Objekt in Beziehung zu treten, da wir Teil einer erschaffenen und separaten Ordnung sind. Und doch schien Jesus Gott als ein Objekt zu erfahren, durch Gebet und Glaube. Die Konsequenz Ihrer Theorie lautet, wenn Jesus die zweite Person des Trinitätsbewusstseins in einem menschlichen Körper war und eine menschliche Erfahrung hatte, Jesus nicht wirklich menschlich ist, da er sich selbst nicht von der göttlichen Realität unterscheiden kann, und folglich Gott nur als ein Subjekt erfahren kann.

Ferner, wenn die menschliche Natur Christi darauf beruht, dass das göttliche Bewusstsein in einer begrenzten menschlichen Fähigkeit arbeitet, was passiert dann nach Seinen Tagen der Fleischwerdung auf Erden? Wenn das göttliche Bewusstsein entweder nur in göttlicher oder in menschlicher Fähigkeit funktionieren kann, aber nicht beides gleichzeitig, dann muss daraus folgen, dass die getrennte menschliche Natur Christi bei der Himmelfahrt abgelegt wurde, um dadurch die Priorität der göttlichen Natur Christi zu bestätigen, da er zur Rechten des Vaters sitzt. Doch dies lässt keinen Raum für die traditionelle katholische Lehre von der Permanenz der Menschlichkeit Jesu. Wenn Jesus wahrhaftig Gott und Mensch war, dann konnte die Annahme der Menschennatur durch den Logos nicht nur zeitlich sein, da ein Teil der menschlichen Natur wie Christus auferweckt werden soll. Somit lässt uns Ihre Theorie mit der radikalen Schlussfolgerung zurück, dass der Sohn Gottes Seine menschliche Natur nach Seinem irdischen Leben ablegte, was im Widerspruch zu der traditionellen Lehre steht, dass Christus weiterhin eine göttliche und menschliche Natur besitzt.

Somit lautet meine Frage, Prof. Craig, was würden Sie auf dieses Hinterfragen Ihres Modells der Inkarnation erwidern?

Gottes Segen,

Nathan

United Kingdom

Prof. Craigs Antwort

A

Das sind gute Fragen, Nathan! Ich würde erstens mit dem Plädoyer „nicht schuldig!“ antworten und zweitens mit der Anklage, dass die Position, die Sie vertreten, implizit nestorianisch und darum häretisch zu sein scheint.

Mein Plädoyer für ein „nicht schuldig” wird einfacher zu verteidigen sein, wenn ich zunächst meine Anfragen an Ihre eigene Position darlege. Rechtgläubigkeit erfordert, dass, obwohl Christus zwei vollständige Naturen hat, eine menschliche und göttliche, es nur eine Person in Christus gibt und dass diese Person, welche die zweite Person der Trinität ist, göttlich ist. Somit gibt es keine menschliche Person Jesus von Nazareth. Es gibt nur eine Person, die Christus ist, und diese Person ist göttlich. Jesus ist die inkarnierte zweite Person der Trinität. Zu behaupten, dass es zusätzlich zu dieser göttlichen Person eine andere Person gibt, die menschlich ist, ist Nestorianismus, der darin irrt, dass er die Person Christi in zwei Personen aufteilt, eine menschliche und eine göttliche.

Wenn Sie also einwenden, meiner Sicht nach sei „Jesus (…) nicht wirklich menschlich, weil er sich nicht selbst von der göttlichen Realität trennen kann“ und „Jesus (…) nicht fähig, das schöpferische Wort Gottes als ein Objekt wahrzunehmen … Da er der Logos ist, kann er nur mit dem Sohn Gottes als einem Subjekt interagieren“, dann ist Ihre Sicht implizit nestorianisch. Das Wort „Er“ ist ein Personalpronomen, das sich auf die Person namens „Jesus“ bezieht. Sie sagen, diese Person sei getrennt von der göttlichen Realität und dem Wort. Das ist nestorianisch. Rechtgläubigkeit erfordert, dass Jesus, die göttliche zweite Person der Trinität, mit dem Wort identisch ist.

Folgt daraus, dass nach der orthodoxen Sicht Jesus sich selbst nicht als ein Objekt begreifen kann? Nein, denn jeder von uns begreift sich selbst als ein Objekt, wenn wir über uns nachdenken. Dann verwenden wir das Wort „mich“ statt „ich“. Wenn wir als Subjekte sprechen, verwenden wir „ich“, aber wenn wir über uns als Objekte sprechen, verwenden wir das Wort „mich“. Natürlich, Jesus als Objekt oder als Subjekt bleibt göttlich, denn es gibt nur eine Person, die Christus ist, und diese Person ist göttlich. Was Jesus nicht tun kann, ist, sich selbst als getrennt von dem Wort zu begreifen, denn er ist das Wort!

Ich denke, dass dieses Verständnis mich von der Anklage freispricht, die Menschlichkeit Christi zu bestreiten. Alles, was ich bestreite, ist, dass es eine menschliche Person gibt, die sich von der zweiten Person der Trinität unterscheidet. Das ist einfach christliche Rechtgläubigkeit. Aber ich bestätige, dass es einen Körper-Seele-Zusammenschluss gibt, welcher die individuelle menschliche Natur Christi darstellt. Meine Sicht genießt gegenüber der traditionellen Sicht den Vorzug, dass sie durchsichtig macht, warum der Körper-Seele-Zusammenschluss wider Erwarten keine menschliche Person darstellt.

Ich stimme Ihnen hierin zu: „Jesus schien Gott als ein Objekt zu erfahren, durch Gebet und Glauben“. Aber „Gott“ bezieht sich in diesem Satz auf Gott, den Vater. Es war Gott, der Vater, zu dem Jesus betete (er redete nicht mit sich selbst!) und auf Gott den Vater hat Jesus vertraut.

Was ist dann mit Christus in seinem verherrlichten Zustand? Ich stimme zu, dass Jesus leibhaftig von den Toten auferstanden ist und darum seine menschliche Natur in Ewigkeit beibehält. Ob der volle göttliche Intellekt im Zustand der Verherrlichung ins Bewusstsein tritt, wird durch mein vorgeschlagenes Modell nicht angesprochen. Ob das nun so ist oder nicht – Jesus ist und war immer allwissend. Das zeigt, dass er, obwohl er wahrhaft Mensch war (d. h., eine menschliche Natur besaß), nicht nur Mensch war.

Auch geht das Modell nicht auf die Frage ein, ob der Logos – selbst im inkarnierten Zustand der Erniedrigung – nicht gleichzeitig außerhalb des Fleisches Bewusstsein besaß. Tom Morris bietet in seinem Buch The Logic of God Incarnate dafür einige interessante Analogien. Ich bin dafür offen, aber nicht darauf festgelegt. Der springende Punkt ist, dass nicht-allwissend zu sein, keine essentielle Eigenschaft des Menschseins darstellt.

So scheint mir meine vorgeschlagene Christologie rechtgläubig zu sein.

(Übers.: B. Currlin)Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/Does-my-Proposed-Christology-Deny-Christs-Humanity

– William Lane Craig

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