#405 Göttliche Mitwirkung
July 12, 2016
F
Sehr geehrter Prof. Craig,
Vor kurzem hörte ich Ihren Podcast der “Defenders class” [1] zum Thema „Gottes Mitwirkung“ (Defenders 2, Doctrine of Creation, Teil 8 [2]). Am Anfang erklärten Sie, dass Gott die Ursache für alles ist, weil er daran mitwirkt. Als Rechtsanwalt klang das höchst plausibel für mich. Juristisch gesehen (besonders bei Delikten) kann das Unterlassen (oder das Fehlen einer Tat) etwas genauso verursachen wie das Begehen einer Tat. Selbstverständlich würden wir nur dann von Verantwortung sprechen, wenn die Unterlassung mit einer gesetzlichen Pflicht zu handeln einherginge, aber dies zu untersuchen ist etwas grundsätzlich anderes als die Ursachen zu untersuchen.
Etwas später fragte einer der Studenten nach dem Problem des Bösen, und Sie antworteten, dass es existiert, ob wir nun an Gottes Mitwirkung glauben oder nicht, denn es ist auch ohne Gottes Zutun vorhanden. An dieser Stelle nun begann ich meine anfängliche Vorstellung einer Unterscheidung zwischen einer Tat und ihrer Unterlassung zum besseren Verständnis von Gottes Mitwirkung zu hinterfragen. Aufgrund Ihrer Antwort schlussfolgerte ich, dass Gottes Mitwirkung nicht eine bloße Unterlassung ist, sondern besser als Tat verstanden werden kann.
1. Würden Sie dem zustimmen, dass Gottes Mitwirkung eher eine Tat als eine Unterlassung ist? Oder mache ich damit eine anthropomorphe Unterscheidung, die nicht auf Gott anwendbar ist?
2. Wenn die Unterscheidung zwischen Handeln und Handlungsunterlassung nicht auf die Unterscheidung zwischen göttlichem Mitwirken und göttlichem Nichteingreifen anwendbar ist, warum hat die Lehre von der Mitwirkung dann überhaupt eine Bedeutung? Welches wäre der Unterschied zwischen Mitwirkung und Unterlassung der Intervention?
3. Sofern auf Gott anwendbar, könnte die Unterscheidung zwischen Tat und Unterlassung eine Bedeutung haben für theologische Fragen wie z.B. das Problem des Bösen, oder halten Sie eine Tat unter allen Umständen für moralisch einer Unterlassung gleichwertig?
Danke für alles, was Sie für das Königreich tun.
JP
United States
Prof. Craigs Antwort
A
Für mich wird aus Ihrem Brief, JP, deutlich, dass der juristische Begriff der Mitwirkung sich ziemlich stark vom theologischen Begriff unterscheidet. Aus Ihrem Brief geht hervor, dass Mitwirkung im juristischen Sinne nicht mehr bedeutet als passive Zustimmung, d.h. man lässt ein Ereignis geschehen. Im theologischen Sinne jedoch ist göttliche Mitwirkung Gottes aktive ursächliche Aktivität, durch die alles, was geschieht, hervorgebracht wird. Gott lässt nicht einfach sekundäre Ursachen in der Welt ihre Wirkungen hervorbringen. Im Gegenteil, die Lehre von der Mitwirkung besagt, dass sekundäre Ursachen ihre Wirkungen nicht entfalten würden, wenn Gott nicht ursächlich Ereignisse in der Welt hervorbrächte. Mittelalterliche Theologen führten als Beispiel für göttliche Mitwirkung (oder ihr Fehlen) vorzugsweise den biblischen Bericht von Schadrach, Meschach und Abed-Nego (Daniel 3) an. Als Grund dafür, dass sie in dem Feuerofen keinen Schaden nahmen, wurde nicht etwa angeführt, dass sie auf irgendeine Weise plötzlich nicht brennbar waren, sondern dass Gott vielmehr seine Mitwirkung an der Aktivität der Flammen zurückzog, so dass das Feuer nicht mehr Dinge verbrennen konnte.
Laut Molinas Lehre der gleichzeitigen Mitwirkung handelt Gott nicht an sekundären Ursachen so, dass sie ihre Wirkungen entfalten können, sondern sein Handeln wirkt mit den sekundären Ursachen zusammen, dass sie ihre Wirkungen hervorbringen. Wenn er diese Wirkungen nicht hervorbringt, dann werden die sekundären Ursachen alleine jene Wirkungen nicht hervorbringen können. Sie sehen also, dass göttliche Mitwirkung weit von bloßer passiver Zustimmung entfernt ist, sondern vielmehr aktive Herbeiführung beinhaltet. Ich sollte wohl hinzufügen, dass Molina der Auffassung ist, dass Gott im Falle seiner Mitwirkung an Auswirkungen sündiger Aktionen moralisch dafür nicht verantwortlich ist, weil das, was die Person wählt, nicht sein direkter Wille ist, sondern er lediglich mitgeht, um die Wirksamkeit des freien Willens seines Geschöpfes zu garantieren. Das ist etwas mehr als Mitwirkung im juristischen Sinne, aber Gott ist nicht einbezogen, wenn er freien Geschöpfen erlaubt zu sündigen, weil er nicht ihren Willen zur Sünde hin beeinflusst, sondern ihnen nur die Freiheit zum Sündigen gibt, was ein hohes Gut ist. Er hat, nach Ihren Worten, keine Pflicht, sie davon abzuhalten, frei zu wählen, etwas Böses zu tun.
Nun zu Ihren Fragen:
1. Würden Sie dem zustimmen, dass Gottes Mitwirkung eher eine Tat als eine Unterlassung ist?Ja, sie ist eine positive Handlung, die etwas verursacht.
2. Wenn es keinen Unterschied gibt zwischen Tat und Unterlassung derselben bzw. zwischen Mitwirkung und Unterlassung der Intervention, warum hat die Lehre von der Mitwirkung dann überhaupt eine Bedeutung? Welches wäre der Unterschied zwischen Mitwirkung und Unterlassung der Intervention?Es gibt einen Unterschied. Mitwirkung bedeutet nicht das Eingreifen in eine Abfolge sekundärer Ursachen; das wäre Wundertätigkeit. In jenem Sinne beinhaltet Mitwirkung mit den sekundären Ursachen tatsächlich die Abwesenheit einer Intervention. Aber es ist viel mehr als das; es ist die ursächliche Erzeugung der Auswirkungen der sekundären Ursachen.
3. Sofern auf Gott anwendbar, könnte die Unterscheidung zwischen Tat und Unterlassung eine Bedeutung haben für theologische Fragen wie z.B. das Problem des Bösen, oder halten Sie eine Tat unter allen Umständen für moralisch einer Unterlassung gleichwertig?Da Mitwirkung Gottes ursächliche Aktivität bei der Erzeugung der Wirkungen des sündigen freien Willens seiner Geschöpfe beinhaltet, haben wir es nun mit der unangenehmen Folge zu tun, dass Gott beispielsweise das Messer des Mörders verursacht, mit dem dieser den Körper seines Opfers aufschneidet. Ich bin hierbei aber geneigt, Molina zuzustimmen, der sagt, dass Gott, dessen Wille es nicht ist, dass der Mörder so etwas tut, moralisch nicht für diese Aktion verantwortlich ist.
(Übers.: J. Bothner)
Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/divine-concurrence
[1]
Eine Art Sonntagsschule für Erwachsene von Prof. Craig
[2]
http://www.reasonablefaith.org/defenders-2-podcast/s8
– William Lane Craig