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#416 Ist meine Beweisführung zur Auferstehung Jesu ein Zirkelschluss?

#416 Ist meine Beweisführung zur Auferstehung Jesu ein Zirkelschluss?

January 14, 2016

F

Sehr geehrter Prof. Craig,

zunächst vielen Dank für alles, was Sie für das Reich Gottes tun. Ihre Arbeit ist eine große Ermutigung für mich, seit ich vor einigen Jahren zum Glauben an Jesus Christus gekommen bin.

Kürzlich hat Raphael Lataster in der Märzausgabe des bekannten Philosophiemagazins „Think“ Ihre Beweisführung zur Auferstehung Jesu als Zirkelschluss abqualifiziert. Der Artikel trägt die Überschrift: „A Philosophical and Historical Analysis of William Lane Craig’s Resurrection of Jesus Argument“ (Eine philosophische und historische Analyse von William Lane Craigs Beweis der Auferstehung Jesu). Ich weiß, dass dieses Argument auf vielen Onlineforen präsent und allgemein bekannt ist. Lataster fasst Ihre Beweisführung folgendermaßen zusammen:

1) Es gibt drei bestätigte Tatsachen über Jesus:

die Entdeckung seines leeren Grabes, seine Erscheinungen nach seinem Tod und die Entstehung des Glaubens seiner Jünger an seine Auferstehung.

2) Die Hypothese „Gott erweckte Jesus von den Toten auf“ ist die beste Erklärung für diese Tatsachen.

3) Die Hypothese „Gott erweckte Jesus von den Toten auf“ schließt ein, dass Gott existiert.

4) Daher existiert Gott.

Er argumentiert unter anderem, dass sich der Beweis im Kreis dreht und ein Zirkelschluss ist, weil Sie die Existenz Gottes in (2) voraussetzen, die dann die Schlussfolgerung in (4) ist. (2) stützt (4), aber Sie akzeptieren die Plausibilität der Auferstehungshypothese erst aufgrund von (4). Wenn Gott nicht existiert, kann auch die Auferstehungshypothese nicht als beste Erklärungsmöglichkeit herhalten. Wenn, so argumentiert er weiter, Sie sich aber in (2) nur auf einen allgemeinen Gottesbegriff beziehen und in (4) auf den christlichen Gott, dann machen Sie sich einer zweideutigen Begrifflichkeit (Fehlschluss der Äquivokation) schuldig. Ob so oder so, es sei nötig, so Lataster, dass Sie einen der beiden Fehlschlüsse zuzugeben.

Er bringt einige weitere schwache Argumente, indem er einerseits die größten Bibelskeptiker zitiert (z.B. Richard Carrier, Robert Price und Hector Avalos) und andererseits (mit David Hume) argumentiert, dass Wunder per definitionem nicht erklärbar seien. Aber sein Hauptvorwurf besteht darin, dass der Auferstehungsbeweis ein Fehlschluss ist.

Könnten Sie bitte klarstellen, was Sie in beiden Fällen jeweils mit „Gott“ meinen? Und könnten Sie auch auf den Vorwurf des Zirkelschlusses eingehen? Lataster sagt, dass er seine Kritik auf eine breitere wissenschaftliche Basis stellen will und im Hinblick auf seine künftigen Veröffentlichungen weiterentwickeln will. Daher wäre es gut zu wissen, was Sie darauf antworten!

Gottes Segen in unserem Herrn Jesus,

Matt

Vereinigtes Königreich

United Kingdom

Prof. Craigs Antwort

A

Ohne den genannten Artikel gelesen zu haben, Matt, lassen Sie mich auf die Kritik, wie Sie sie referiert haben, antworten, weil sie immer wieder vorgebracht wird.

Ich glaube, dass ich selbst zu einem Teil dafür verantwortlich bin, den Anschein eines Zirkelschlusses erweckt zu haben, indem ich in öffentlichen Diskussionen über die Existenz Gottes die Evidenz der Auferstehung Jesu als ein Argument für die Existenz Gottes benutze (das wäre dann im Prinzip ein Argument, das aus Wundern auf die Existenz Gottes schließt [1]). Das ist das Argument, auf das sich Lataster bezieht. Obwohl man so mit der Evidenz der Auferstehung Jesu argumentieren kann, ist sie traditionellerweise kein Argument der Natürlichen Theologie, sondern der christlichen Apologetik. Das heißt, sie wird nicht als ein Argument für den Theismus im allgemeinen benutzt, sondern als Argument für die christliche Variante des Theismus.

Nachdem die Existenz Gottes mit Hilfe der Argumente der Natürlichen Theologie, also z.B. durch das ontologische, kosmologische und teleologische Argument erwiesen worden ist, wendet man sich einem spezifischen Nachweis zu, nämlich dem der Auferstehung Jesu, und zwar deshalb, weil sich Gott konkret in Jesus geoffenbart hat. Das ist der Denkansatz, den ich in meinem gründlicheren Werk „Reasonable Faith“ (Vernünftiger Glaube) in Kapitel 8 darlege. Aber in öffentlichen Diskussionen benutze ich oft die Evidenz der Auferstehung Jesu als Teil der Gesamtargumentation für den Theismus, und zwar aus evangelistischen Gründen: Ich möchte nicht nur den Theismus allgemein, sondern speziell den christlichen Theismus verteidigen. Das ist der Grund, warum ich die Auferstehung in meine Theismus-Argumentation mit einbeziehe, auch wenn sie hier meiner Ansicht nach nicht so gut passt.

In der von mir bevorzugten (gründlicheren) Argumentation gibt es absolut keinen Zirkelschluss, denn ich versuche mit dem Argument für die Auferstehung Jesu nicht, den Theismus zu beweisen, sondern ich setze ihn voraus, nachdem ich Gottes Existenz bereits mit den Argumenten der Natürlichen Theologie nachgewiesen habe. Dieses doppelschrittige Verfahren macht es einfacher, die Auferstehungshypothese „Gott erweckte Jesus von den Toten auf“ („AH") als den besten Erklärungsversuch vorzustellen, weil man bereits weiß, dass Gott existiert. Lesen Sie dazu die Entwicklung dieses Denkansatzes in „Reasonable Faith“!

Aber auch in der von mir in der Debatte vorgetragenen Argumentation gibt es keinen Zirkelschluss, auch wenn es dann schwieriger ist, die AH als die beste Erklärungsmöglichkeit zu präsentieren, weil dann in einem Schritt die Überlegenheit einer übernatürlichen Erklärung (also der Auferstehung als Erklärung für die genannten Fakten wie das leere Grab, den Glauben der Jünger etc.) zu zeigen ist, ohne vorher die Existenz Gottes bewiesen zu haben – nicht unmöglich, aber schwieriger. (Ich bin sicher, Sie kennen Fälle, bei denen eine übernatürliche Erklärung die einzig vernünftige Erklärung des gesamten Datenmaterials ist.)

Die Behauptung „Sie setzen die Existenz Gottes in (2) voraus, die dann die Schlussfolgerung in (4) ist“, ist völlig unangebracht. Gottes Existenz wird in (2) nicht vorausgesetzt, oder nur in dem Sinne, dass sie ein Teilaspekt der vorgeschlagenen Erklärung ist, genauso wie beispielsweise die Existenz des Higgs-Bosons „vorausgesetzt“ wird, wenn man es als die beste Erklärungsmöglichkeit für die entsprechende Datenlage in der Teilchenphysik vorschlägt, oder wie ein Schwarzes Loch „vorausgesetzt“ wird, wenn man es als beste Erklärung für bestimmte Befunde der Astrophysik vorschlägt. Man postuliert eine neue Entität als Teil der besten Erklärungsmöglichkeit für die zu erklärenden Fakten. Dies ist eine ganz normale Vorgehensweise.

Um nun die AH und ihre naturalistischen Konkurrenzhypothesen zu beurteilen, prüfe ich diese jeweils anhand der Standardkriterien: Erklärungskraft, Erklärungsreichweite, Plausibilität, Übereinstimmung mit gängigen Vorstellungen, ob die Hypothese ad-hoc Charakter hat [2], und welche der konkurrierenden Hypothesen die Kriterien am besten erfüllt. Diese Kriterien können angewandt werden unabhängig davon, ob Gottes Existenz wahr ist.

Wie Sie berichten, behauptet Lataster, ich akzeptiere „die Plausibilität der Auferstehungshypothese erst aufgrund von (4)“. Das ist augenscheinlich falsch, wie man beim Lesen meiner Werke feststellen wird. Ich begründe die Plausibilität der AH auf der Grundlage des religionsgeschichtlichen Kontextes, in dem sie auftaucht. Das einzige Kriterium, bei dem die Existenz Gottes wirklich relevant wird, ist der ad-hoc Charakter der Hypothese. Dies hat mit der Anzahl der unabhängigen Hypothesen zu tun, die zur untersuchten Erklärung erforderlich sind. Wenn man die Existenz Gottes nicht vorher schon nachgewiesen hat, dann hat die AH mehr ad-hoc Charakter, denn sie setzt die zusätzliche Hypothese voraus, dass Gott existiert. Aber dieser Grad des ad-hoc Charakters einer Hypothese ist nicht ungewöhnlich oder inakzeptabel und kann in jedem Fall kompensiert werden durch die wichtigeren Erklärungskriterien eines großen Erklärungsreichweite und einer großen Erklärungskraft.

Kurz gefasst, es ist kein Zirkelschluss, wenn man argumentiert, dass eine sich auf Wunder stützende Erklärung von bestimmten Sachverhalten die beste ist – obwohl die Aufgabe viel leichter ist, wenn man zuerst die Existenz Gottes an sich beweist und sich auf Wunder nur dann bezieht, wenn man zeigen will, dass Gott an einem gewissen Zeitpunkt in die Geschichte eingreift, um damit eine spezielle religiöse Behauptung [3] zu beglaubigen.

(Übers.: N. Höhl; L: RN)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/is-my-argument-for-jesus-resurrection-question-begging

[1]

Zum "Argument aus Wundern für die Existenz Gottes" siehe u.a. den Aufsatz "The argument from miracles: a cumulative case for the resurrection of Jesus of Nazareth" von Timothy McGrew und Lydia McGrew in: W.L. Craig und J.P. Moreland: "The Blackwell Companion to Natural Theology", Wiley-Blackwell 2012, S. 593-662;

sowie Kapitel 12 "Argumente aus der Geschichte, Wunder als Argumente" aus dem Buch "Die Existenz Gottes" von Richard Swinburne, Reclam 1987;

sowie das Buch von Craig Keener: "Miracles: The Credibility of the New Testament Accounts Vols 1 & 2", Baker Book House 2011 (2 Bände).

Vgl. auch die beiden Aufsätze von W.L. Craig, die in englischer Sprache online verfügbar sind:

W. L. Craig, “The Problem of Miracles: A Historical and Philosophical Perspective”, http://www.reasonablefaith.org/the-problem-of-miracles-a-historical-and-philosophical-perspective und

W. L. Craig, “Creation, Providence, and Miracle”, http://www.reasonablefaith.org/creation-providence-and-miracle

[2]

Generell gilt: je weniger Hypothesen mit ad-hoc Charakter, oder je weniger ad-hoc Charakter eine Hypothese hat, desto besser die Theorie.

Hypothesen mit ad-hoc Charakter werden z.B. aus dem Stehgreif (spontan) eingeführt, um eine ansonsten falsifizierte Theorie zu retten. Ein Beispiel für eine ad hoc Hypothese ist Einsteins "kosmologische Konstante", die er eigens einführte, um die Schlussfolgerung zu vermeiden, dass sich das Universum ausbreitet.

In Datenreihen werden Ausreißer gerne (ad hoc) als "Messfehler" bezeichnet.

Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ad-hoc-Hypothese und

http://www.spektrum.de/lexikon/physik/ad-hoc-hypothese/201(A.d.L.)

[3]

Etwa die Aussage, dass Jesus der Sohn Gottes und Messias war. (A.d.L.)

– William Lane Craig

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