#420 Sollten Christen die Intelligent Design Theorie vertreten?
January 14, 2016
F
Sehr geehrter Prof. Craig,
zunächst möchte ich Ihnen sagen, wie sehr ich alles schätze, was Sie für das Königreich Gottes tun. Ich bete, dass Sie diese gute Arbeit fortführen können. Ich halte Ihren Dienst für sehr vorbildlich.
Zur Zeit belege ich einen Kurs in Religionsphilosophie, der mich sehr fasziniert. Ich habe den Kurs belegt, weil ich an christlicher Apologetik, also der vernünftigen Verteidigung des christlichen Glaubens, interessiert bin. In diesem Kurs wird u.a. die Intelligent Design Theorie behandelt. Zu meiner Überraschung hält mein Professor, der auch Christ ist, den Intelligent Design Ansatz (ID) für nicht korrekt. Außerdem hat ein Professor des Astronomie-Kurses, den meine Freundin belegt, in der Vorlesung behauptet, die meisten Christen würden nicht an Intelligent Design glauben.
Als ich darüber nachdachte, warum mein christlicher Professor nicht an intelligente Planung glaubt und warum ein Astronomie-Professor lehren kann, dass die meisten Christen nicht an ID glauben, fragte ich mich, ob ich denn überhaupt weiß, was mit ID wirklich gemeint ist.
Ich dachte, dass Gott der intelligente Designer ist, den wir in der christlichen Apologetik verteidigen.
Daher sind meine drei Fragen an Sie wie folgt:
1. Wie definieren Sie „Intelligent Design“?
2. Sollten Christen an Intelligent Design glauben?
3. Wenn Christen an Intelligent Design glauben sollten, warum gibt es dann einige Leute, die nicht daran glauben? Sind sie lediglich verwirrt über die Bedeutung des Begriffes „Intelligent Design“?
Danke, dass Sie sich dafür Zeit nehmen.
Drew
United States
Prof. Craigs Antwort
A
Drew, ich verstehe Ihre Verwirrung. In einem gewissen Sinne glauben alle Christen an intelligentes Design (oder intelligente Planung), da der Gott der Bibel ein intelligenter Schöpfer dieser Welt ist, der bestimmte Ziele im Sinn hatte, die er verwirklichen wollte. Natürlich ist die Welt ein Ergebnis intelligenten Designs!
Wenn wir also die Aussagen der Professoren verstehen wollen, müssen wir unsere Begriffe ganz genau definieren. Immer, wenn jemand Sie in eine Diskussion über „Intelligent Design“ verwickeln möchte, bitten Sie ihn sofort, seine Begriffe zu definieren, sonst werden Sie sich in Unklarheit und Verwirrung verlieren.
Ich denke es ist gut, den Begriff „Intelligent Design“ groß zu schreiben, um damit anzuzeigen, dass wir es als einen Fachterminus benutzen und nicht in dem allgemeinen Sinn, der von allen Christen akzeptiert wird. Als eine weite Definition könnte man vorschlagen: "Intelligent Design" (kurz: ID) ist die Theorie von berechtigten Rückschlüssen auf Design. Anders ausgedrückt ist ID eine Theorie, die versucht, folgende Frage zu beantworten: Was berechtigt uns zu dem Schluss, dass „Design“ die beste Erklärung eines beobachteten Phänomens ist? Es ist offensichtlich, dass wir im Alltag ständig solche Rückschlüsse auf Design oder absichtsvolle Planung ziehen. Ein Lehrer, der herausfindet, dass die Hausarbeit eines Schülers ganze Abschnitte von Wikipedia-Artikeln wiedergibt, wird daraus nicht die Folgerung ziehen, dass es sich hierbei um Zufall handelt (und der Student etwa zufällig genau dasselbe geschrieben hätte, was in dem Wikipedia-Artikel steht). Er weiß vielmehr, dass dies ein absichtliches, bewusstes Plagiat ist. Archäologen können sehr gut unterscheiden, ob sie bei einer Ausgrabung gerade auf ein Ergebnis von Sedimentbildungen und natürlichen Veränderungen stoßen oder auf menschliche Artefakte. Ein Strandgutsammler, der an einer Sandburg vorbei kommt, weiß, dass dies kein Ergebnis von Wellen und Wind ist, sondern von intelligenter Planung – also von Design.
Manche dieser Schlüsse auf Design sind so offensichtlich, dass wir nicht mal auf die Idee kommen würden zu fragen, was uns berechtigt, aus diesen Indizien auf Design zu schließen. Aber philosophisch gesehen ist es keine triviale Angelegenheit, eine Theorie aufzustellen, die begründet, wann ein Schluss auf Design berechtigt ist. Die Theorie des Intelligent Design versucht genau dies, nämlich die Kriterien für eine solche Nachweisbarkeit von Design zu beschreiben. Als eine Theorie über berechtigte Schlüsse auf Design ist die Intelligent Design Theorie für verschiedenartige Fachgebiete von Interesse: Zum Beispiel für Kryptographen, die versuchen herauszubekommen, ob eine Abfolge von Buchstaben einfach bedeutungsloser Buchstabensalat ist, oder ob der Text eine verschlüsselte Botschaft enthält. Oder für Kriminologen, die entscheiden müssen, ob ein Feuer durch natürliche Ursachen entstand oder durch Brandstiftung. Bei der Suche nach intelligenten außerirdischen Lebewesen geht es darum zu entscheiden, ob ein empfangenes Signal nur ein zufälliges Geräusch ist, oder ob es sich um eine Botschaft einer solchen Intelligenz handeln könnte. So könnte man fortfahren.
ID-Theoretiker haben eine Reihe von Kriterien entwickelt, gemäß derer der Schluss auf Design berechtigt ist. Zweifellos ist einer der ausgeklügeltesten Ansätze der des Mathematikers William Dembski in seinem Buch The Design Inference (dt. "Der Schluss auf Design", bislang nicht übersetzt), das bei der Cambridge University Press in der Reihe von Monographien zu "Wahrscheinlichkeit, Induktion und Entscheidungstheorie“ erschienen ist. Dembski argumentiert, dass der Schluss auf Design berechtigt ist, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Erstens: Das zu erklärende Ereignis muss außerordentlich unwahrscheinlich sein. Zweitens: Das Ereignis korrespondiert mit einem unabhängig davon gegebenen Muster.
In seinem grundlegendsten Sinn ist Intelligent Design also eine Theorie von Schlüssen auf Design, die auf eine Anzahl verschiedener Fachgebiete angewendet werden kann. Es mag unterschiedliche Auffassungen darüber geben, welche Theorie von Schlüssen auf Design die beste ist, aber dies ist kaum der Grund, warum Intelligent Design auf solch glühende Feindschaft trifft. Die Kontroverse beginnt, wenn die Theorie des Intelligent Design auf den Bereich der Biologie angewandt wird. Dembski und andere Theoretiker des ID haben die umstrittene Behauptung aufgestellt, dass lebende Organismen genau diese Kombination von hoher Unwahrscheinlichkeit und Übereinstimmung mit einem unabhängig davon gegebenen Muster aufweisen, die es rechtfertigen, den Schluss auf intelligente Planung zu ziehen. Dementsprechend stellen sie fest, dass wir naturwissenschaftlich gerechtfertigt sind zu schlussfolgern, dass biologische Komplexität am besten durch Intelligentes Design erklärt werden kann.
Durch diese Behauptung haben sich die ID-Theoretiker den Zorn des wissenschaftlichen Establishments zugezogen. Einige, wie z.B. Richard Dawkins, lehnen Intelligent Design aus anti-metaphysischen, oder besser, anti-religiösen Motiven ab. Sie halten ID für Religion, die vorwendet, Naturwissenschaft zu sein. Aber die ID-Theoretiker haben wiederholt darauf hingewiesen, dass der Schluss auf Design nicht den Schluss auf Theismus bedeutet, sondern nur auf eine nicht näher bestimmte intelligente Ursache. Diese Einschränkung ist, denke ich, nicht unaufrichtig, denn ID behauptet nicht, Rückschlüsse auf die Güte oder auf die Ewigkeit oder andere spezifische Eigenschaften des Designers ziehen zu können. Dies lässt die Tür offen für andere intelligente Wesen, die für das biologische Design verantwortlich sein könnten. Ironischerweise stimmt Dawkins tatsächlich einigen der grundlegenden Lehren des Intelligent Design zu: a) Dass Intelligent Design eine wissenschaftliche Hypothese ist, die daher auch nach den Kriterien der Wissenschaft bewertet werden sollte, b) dass es illegitim ist, aus der Menge der Erklärungen bestimmte Hypothesen a priori auszuschließen, die von letzten Zwecken oder gar von übernatürlichen Wesen ausgehen, c) dass die Design-Schlussfolgerung nicht mit einem Schluss auf Theismus gleichgesetzt werden darf. Es ist bemerkenswert, dass jemand, der sich so dogmatisch dem Darwinismus verpflichtet fühlt und der so verächtlich über religiöse Überzeugungen schreibt, sich dennoch in einer Position wiederfindet, in der er zentrale Lehren des ID unterstützt. Wenn Sie den Film „Expelled“ gesehen haben, dann können Sie sich vielleicht an das Interview erinnern, in dem Dawkins sogar bereit ist, wenn nötig die Schlussfolgerung des Intelligent Design in Betracht zu ziehen, solange die Designer außerirdische Wesen sind, die selber das Produkt eines nicht geplanten evolutionären Prozesses sind. Was er aus philosophischen Gründen nicht in Betracht ziehen will, ist die Möglichkeit einer übernatürlichen Intelligenz. Jedoch wäre auch der Schluss auf außerirdische Designer ein Schluss auf Intelligent Design. Daraus folgt, dass ID an sich kein religiöser Kreationismus ist, der sich als Wissenschaft ausgibt.
Nun müssen Theisten, die an einen intelligenten Planer oder Designer des Universums glauben, nicht mit allen Lehren des ID einverstanden sein. Mein größter Vorbehalt zum Beispiel ist, dass die Schlussfolgerung auf einen Designer als eine naturwissenschaftliche Theorie angesehen wird. Als Philosoph denke ich, dass eine solche Schlussfolgerung ihrem Charakter nach philosophisch oder metaphysisch ist und nicht so sehr Teil einer neuen rivalisierenden naturwissenschaftlichen Theorie.
Ich stimme mit dem Philosophen Brad Monton überein, der schreibt:
„Eine der Hauptlinien des Angriffs gegen Intelligent Design ist das Argument, Intelligent Design sei keine Naturwissenschaft. Obwohl ich ein Atheist bin, möchte ich Intelligent Design verteidigen, indem ich diese Angriffslinie aufgreife. Was wir wirklich wissen wollen ist ja nicht, ob Intelligent Design eine naturwissenschaftliche Theorie ist oder nicht, sondern ob der Schluss auf intelligente Planung wahr ist. Wir könnten, wenn wir wollten, mit Richter Jones übereinstimmen, dass Intelligent Design keine naturwissenschaftliche Theorie darstellt. Aber wenn Intelligent Design wahr ist, wäre es dann nicht egal, ob es Naturwissenschaft ist oder nicht…?“ (Brad Monton, Seeking God in Science, S. 53-54)
Für mich persönlich ist es relativ unbedeutend, ob man einen Schluss auf Design in der Biologie als naturwissenschaftlich oder als philosophisch ansieht. Die wichtige Frage ist, ob ein solcher Schluss gerechtfertigt ist. Dies kann man nicht aufgrund irgendwelcher Etiketten entscheiden.
Damit möchte ich jetzt Ihre drei Fragen beantworten:
1. Was ist Ihre Definition des Begriffes „Intelligent Design“?
Das ist nicht die richtige Frage. Wir müssen die IT-Theoretiker für sich selbst reden lassen und ihnen nicht unsere Ansichten unterschieben. Das ist Teil des Problems! Ich habe oben versucht zu erklären, was diese Denker unter Intelligent Design verstehen.
2. Sollten Christen an Intelligent Design glauben?
Sicher müssen Christen an intelligente Planung glauben, da wir ja an Gottes Vorsehung glauben und daran, dass er einen Plan für diese von ihm geschaffene Welt hat. Es muss aber nicht jeder Christ die Theorie des Intelligent Design für richtig halten. Man muss sich die Positionen und Argumente der ID-Theoretiker genau ansehen und dann entscheiden, ob man alle, einige oder keine der Lehren von ID übernimmt, besonders in Bezug auf Biologie.
3. Wenn Christen an „Intelligent Design“ glauben sollten, warum gibt es dann einige Leute, die nicht daran glauben? Sind sie lediglich verwirrt über die Bedeutung des Begriffes „Intelligent Design“? Natürlich gibt es viel Verwirrung über ID. Fälschlicherweise halten es einige für eine religiöse Überzeugung oder denken, es sei eine Form des Kreationismus. Andererseits kann jemand ein enthusiastischer Vertreter des teleologischen Arguments sein, also des Arguments, welches von den Indizien von Design in der Natur auf Design und damit auf Gottes Existenz schließt, ohne dabei notwendigerweise jeden Teilaspekt der ID-Theorie zu bejahen. Das habe ich oben versucht zu zeigen.
Wenn Leute ID ablehnen, sollten Sie also fragen: „Welche Inhalte von ID sind es genau, die Sie ablehnen?“ Das wird dann sofort klarmachen, ob diese Personen wissen, wovon sie reden!
(Übers.: M. Ebeling; L:RN)
Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/should-christians-accept-intelligent-design
– William Lane Craig