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#500 Wie war das mit dem Grab Jesu?

#500 Wie war das mit dem Grab Jesu?

January 20, 2017

F

Sehr geehrter Prof. Craig,

kürzlich bin ich im Internet auf einige Artikel gestoßen, nach denen man den Stein gefunden hat, auf den der Leichnam Jesu gelegt wurde. Dieser Stein wurde von der Grabeskirche in Jerusalem der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Zeitschrift National Geographic berichtete, dass man jetzt mehr über Jesu Tod und Begräbnis wissen könne. Dann sah ich einen Link zu einem Artikel, in dem es hieß, dass die Bibel bei Jesu Tod und Begräbnis falsch liege. Wie gesichert sind denn die biblischen Tatsachen des Todes und des Begräbnisses Jesu?

Joanna

United States

Prof. Craigs Antwort

A

Sie haben die Sachlage fast, aber nicht ganz richtig wiedergegeben, Joanna. Einen detaillierten Bericht über die Ausgrabungen finden Sie unter: http://news.nationalgeographic.com/2016/10/jesus-christ-tomb-burial-church-holy-sepulchre/. Es ist nicht so, dass der Stein, auf den Jesus gelegt wurde, „gefunden“ oder „der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“ worden ist, sondern als man die Marmorplatte, die die Kalksteinplatte schützte, auf die Jesus von Josef aus Arimathäa gelegt worden sein soll, zur Restaurierung und Reinigung abnahm, wurde die besagte Kalksteinplatte zum ersten Mal seit 1555 wieder sichtbar – ein bewegender Augenblick für all die, die glauben, dass das Grab in der Grabeskirche tatsächlich das Grab ist, in das Jesus nach seiner Kreuzigung gelegt wurde. Nach all den Jahrhunderten konnten die Archäologen endlich den Stein, auf dem der Leichnam Jesu geruht hatte, betrachten, ja anfassen!

Sie fragen, wie „gesichert“ die „biblischen Tatsachen des Todes und des Begräbnisses Jesu“ sind. Ich werde diese Frage hier nicht im Detail beantworten, da ich sie in meinen Publikationen und Debatten zur Genüge behandelt habe. Kein Historiker leugnet, dass Jesus unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, und das vor allem aus zwei Gründen: 1. ist die Kreuzigung Jesu in zahlreichen frühen und voneinander unabhängigen Quellen bezeugt, und 2. wäre es ohne Jesu Kreuzigung absolut unerklärlich, dass die frühe Kirche eine Geschichte über sein Ende erfunden hätte, die für die, die sie missionieren wollte (Juden wie Heiden), so abstoßend war. Ähnlich verneint nur eine kleine Minderheit unter den Forschern (wohl vor allem die, die sehen, was für Folgen die Historizität des Begräbnisses hat!), dass Jesus von Josef von Arimathäa, einem Mitglied des Sanhedrin (Hohen Rates), der Jesus verurteilte, in einem Felsengrab beigesetzt wurde. Die Historizität der Bestattung Jesu wird von mehreren Fakten gestützt: 1. ist das Begräbnis in zahlreichen frühen und voneinander unabhängigen Quellen bezeugt. – 2. ist eine christliche Erfindung ausgerechnet Josefs von Arimathäa (anstatt der Jünger oder Verwandten Jesu) als der Person, die Jesus beisetzen ließ, mehr als unwahrscheinlich, bedenkt man, dass für die frühen Christen die Mitglieder des Sanhedrin die „Bösen“ waren, die Jesus verurteilt hatten. – 3. Findet man in dem Grablegungsbericht im Markusevangelium keinerlei Anzeichen für legendäre Ausschmückungen. – Und 4. existiert keine alternative Version der Grablegung Jesu.

Die interessantere Frage ist meines Erachtens, wie glaubwürdig die Behauptung ist, dass das Grab Jesu in der Grabeskirche ist. Die Ortslage wurde im Jahre 326 identifiziert, als Helena, die Mutter Konstantins des Großen, eine Pilgerreise ins Heilige Land unternahm, um Reliquien aus der Zeit Christi zu suchen. Sie fragte die Bewohner Jerusalems, wo die Grabstätte Jesu gewesen war, und diese nannten ihr eine Stelle, an der inzwischen ein heidnischer Tempel stand. Man kann sich fragen, woher die Menschen in Jerusalem nach 300 Jahren wissen wollten, wo das Grab Jesu gewesen war; gaben sie Helena die Auskunft womöglich nur aus Respekt vor ihrer Position als Mutter des Kaisers? Aber andererseits gibt es gute Gründe für die Annahme, dass das historische Gedächtnis, wo Jesus beigesetzt worden war, damals noch intakt war.

Zum einen lag die von den Informanten genannte Stelle innerhalb der Mauern Jerusalems. Nun wurde Jesus laut den Evangelien außerhalb der Stadtmauern gekreuzigt und begraben. Ein Widerspruch? Nein, denn man weiß heute, dass die Mauern Jerusalems über 100 Jahre vor dem Besuch Helenas erweitert worden waren. Als die Archäologen die alte Stadtmauer aus der Zeit Jesu ausgruben, zeigte sich, dass das vermutete Grab Jesu in der Tat außerhalb von ihr lag!

Zum anderen stand der heidnische Tempel seit 110 n.Chr. dort, als er unter Hadrian erbaut wurde; schon damals, nur 80 Jahre nach der Kreuzigung Jesu etwa im Jahr 30, scheint man gewusst zu haben, dass hier das Grab Jesu gewesen war. Helene befahl, den Tempel abzureißen und den Boden unter ihm aufzugraben, und was fand man dort? Ein Grab! Die Erinnerung daran, dass der Tempel auf dem Grab Jesu erbaut worden war, scheint also historisch gewesen zu sein.

Nur ein Zufall? Vielleicht, aber zahlreiche Forscher halten das Grab in der Grabeskirche in der Tat für das Grab Jesu. Dies ist ein Beispiel mehr dafür, dass wir es, wenn es um das Leben und Sterben Jesu geht, nicht mit Märchen und Legenden zu tun haben, sondern mit historischen Fakten.

Ich möchte jedem Mut machen, mindestens einmal im Leben ins Heilige Land zu fahren und dabei auch die Grabeskirche zu besuchen.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: www.reasonablefaith.org/excavating-the-tomb-of-jesus

– William Lane Craig

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