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#568 Das ultimativ Böse

#568 Das ultimativ Böse

November 25, 2018

F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich möchte Ihnen zunächst einmal sagen, dass ich Gott sehr dankbar für Sie und Ihren Dienst bin. Sie haben ja keine Ahnung, was für ein Segen Ihre Beiträge für mein Glaubensleben geworden sind. Mein Gebet ist, dass Reasonable Faith sich auch weiterhin positiv auf Jesu Gemeinde und die Welt auswirkt.

Nun zu meiner Frage. Sie hat mit der Definition und dem Wesen des Bösen zu tun. Ich verwende hierzu Ihr Moralargument als Sprungbrett. Dieses schlussfolgert ja, dass es eine personale, transzendente Quelle moralischer Werte und Pflichten gibt (Gott). Gott ist das Gute. Dinge wie Gerechtigkeit, Liebe, Mitleid und so weiter haben in Gottes Charakter ihre Wurzeln.

Nun, könnte man nicht auch argumentieren, dass moralische Untaten (Ungerechtigkeit, Habgier, Hass usw.) auch im Charakter einer personalen transzendenten Quelle verwurzelt sein müssen? So wie Gott das Gute ist, ist jemand anderes das Böse. Dies scheint das Böse notwendig zu machen. Das ist offensichtlich unbiblisch und theologisch inakzeptabel. Der einzige Ausweg, den ich sehe, ist die Definition des Bösen als die Abwesenheit oder den Entzug des Guten. Dies ist natürlich die traditionell-christliche Ansicht des Bösen, die auch Sie teilen, wenn ich mich nicht täusche. Ungerechtigkeit an sich ist kein Ding, sondern nur der Mangel an Gerechtigkeit.

Das ergibt Sinn, doch weiß ich nicht, was dafür spricht, dass dies die korrekte Theorie des Bösen ist. Jemand könnte auch genauso einfach sagen, dass er die Ansicht für korrekt hält, die besagt, dass das Böse die dem Guten entgegengesetzte Macht oder Kraft ist (so ähnlich wie die Macht in Star Wars), und ich wüsste keine Antwort darauf.

Hier also nochmal zusammengefasst: (A) Muss man voraussetzen, dass die Theorie von der Abwesenheit des Bösen richtig ist, damit das Moralargument funktioniert? (B) Haben Sie unabhängige philosophische Argumente dafür, dass die Theorie von der Abwesenheit des Bösen korrekt ist? Entschuldigen Sie die lange Frage. Ich konnte sie nicht richtig in Worte fassen. Ich würde es wirklich zu schätzen wissen, wenn Sie mir hier weiterhelfen könnten und wenn Sie mir zeigen könnten, ob ich irgendwo einen Denkfehler gemacht habe. Gottes Segen!

TrayVereinigte Staaten

United States

Prof. Craigs Antwort

A

Die kurze Antwort auf Ihre Frage, Tray, ist: Sobald man Gott als den letztgültigen Standard für moralische Werte hat, dann gibt es weder Bedarf noch Platz für einen anderen Standard für Untaten.

Problematisch ist, dass Sie Gott als eine „Macht oder Kraft“ des Guten bezeichnen, gegen die sich dann eine andere Macht oder Kraft stemmen könnte. Das ist ein Fehler. Wir sollten uns Gott vielmehr als einen letztgültigen Standard oder ein Paradigma für das Gute vorstellen. Sobald das der Fall ist, wird das nicht nur bestimmen, was gut ist, sondern auch, was böse ist. So wie etwas insofern gut ist, als es dem Paradigma des Guten ähnelt, so ist etwas insofern böse, als es von diesem Paradigma abweicht.

Aus diesem Grund bringe ich manchmal ein Moralargument für Gottes Existenz vor, das auf moralischem Übel in der Welt basiert: ohne Gott würden objektive moralische Werte nicht existieren; das Böse existiert; also existieren objektive moralische Werte (manche Dinge sind böse!); also existiert Gott. Das Böse belegt Gottes Existenz, denn ohne Gott würden Gut und Böse nicht existieren.

Nehmen Sie keine Beweislast an, die Sie gar nicht tragen müssen, Tray. Wenn jemand sagt: „Moralische Untaten müssten im Charakter einer personalen, transzendenten Quelle verwurzelt sein“, dann fragen Sie nach seinem Argument für diese Behauptung. Mir fällt kein Argument für diese Behauptung ein. Ja, ich bezweifle, dass es überhaupt kohärent ist, zu sagen, dass es ein ultimatives Paradigma des Übels gibt. Freilich könnte es ein böses Wesen geben (Satan?), das gegen Gott gerichtet ist; doch selbst solch ein Wesen wäre böse, einfach weil es nicht dem von Gott gesetzten Standard gerecht wird. Ein solches Wesen würde vor allem nicht seinen moralischen Pflichten gerecht werden; aber dann stellt sich wieder die Frage: Wo kommen die her?

Um also auf Ihre Fragen zu antworten: (A) Muss man voraussetzen, dass die Theorie von der Abwesenheit des Bösen richtig ist, damit das Moralargument funktioniert? Das Argument an sich setzt diese Ansicht nicht voraus, aber es scheint mir von der theistischen Ethik impliziert zu sein, die beim Argument wiederum vorausgesetzt wird. (B) Haben Sie unabhängige philosophische Argumente dafür, dass die Theorie von der Abwesenheit des Bösen korrekt ist? Sicherlich. Jede Ansicht, die einen letztgültigen Standard für das Gute postuliert, impliziert, dass Dinge insofern böse sind, als sie diesem Standard nicht gerecht werden.

(Übers.: J. Booker)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/writings/question-answer/ultimate-evil

– William Lane Craig

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