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#353 God’s Permitting Horrific Evils

#353 Warum lässt Gott so entsetzliche Dinge geschehen?

January 14, 2016

F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich habe zu verschiedenen Gelegenheiten versucht, Sie zu bewegen, folgendes zu erklären:

Wie kann ein Wesen maximaler Größe einen „zureichenden“ Grund haben, Dinge zuzulassen wie etwa die Vergewaltigung eines Kindes, wenn – wie Sie sagen – eine solche Handlung tatsächlich in „objektivem Sinn“ böse ist?

Das erscheint mir so unlogisch zu sein wie ein Wesen maximaler Größe, das ausreichend Gründe hat, zwei plus zwei fünf sein zu lassen. Wenn zwei plus zwei vier ergibt, dann kann keine Macht der Welt diese objektive Wahrheit ändern; dafür reicht auch kein Wille und auch kein „zureichender Grund“! Könnten Sie bitte erklären, wie es angeht, dass ein moralisch höchststehendes Wesen zureichend Gründe finden könnte, so etwas in irgendeiner möglichen Welt zuzulassen, wenn die Rechnung „Kind + Vergewaltigung = objektiv böse“ stimmen soll?

Ihre bisherigen Erklärungen, denen zufolge Gott solche Übel zulässt, damit mehr Menschen aus freien Stücken zu ihm kommen, die gehen mir nach den Gesetzen der Logik nicht auf. Das Ganze funktioniert höchstens unter der Voraussetzung, dass ein Wesen maximaler Größe gegen seine eigenen objektiven Wahrheiten handeln könnte, um ein höheres Gut zu erlangen (konkret: unschuldiges Kind muss leiden = mehr gerettete Seelen). Aber ist das sinnvoller als die Rechnung 2+2=5? Für mich jedenfalls nicht! Könnte Gott um der Seelenrettung willen auch verheiratete Junggesellen oder die Quadratur des Kreises zulassen?

Wenn die Vergewaltigung eines Kindes objektiv böse ist, wie Sie sagen, dann kann auch Gott keinen zureichenden Grund haben, so etwas zuzulassen. Ein Kind leiden zu lassen, um eine Seele zu retten, würde dieses Leiden jedoch zu einem willentlichen Akt der subjektiven Entscheidung Gottes machen und nicht zu einer objektiven Wahrheit, die in seinem Wesen wurzelte. Wenn Gott ein solches Geschehen zulassen kann, folgt daraus: Trotz unserer subjektiven Proteste gegen solche Handlungen muss Gott, indem er es geschehen lässt, eine „höhere“ Absicht verfolgen. Lässt Gott dies zu, dann folgt daraus logisch, dass es – objektiv gesehen – nicht falsch sein kann; wie sonst könnte Gott auch zureichende Gründe haben, es zuzulassen? Offenbar wollen Sie beides haben, aber für objektiv wahre oder falsche Aussagen gibt es keinen „zureichenden Grund“, etwas anderes zu sein als wahr oder falsch.

2. Eine Welt, in der es keinen Holocaust gibt, ist im höchsten Maße besser als eine Welt, in der so etwas vorkommt. Nun ist es aber zum Holocaust gekommen und daraus folgt: Unsere Welt ist nicht die beste.

Daraus würde logischerweise folgen: Wenn die Existenz einer solchen Welt auch nur möglich wäre, dann kann es nur solche Welten geben – wenn es tatsächlich ein „größtes Wesen“ gibt. Warum sollte ein maximales Wesen eine Welt erschaffen, die seine maximale Größe nicht widerspiegelt?

Die Welt, in der wir leben, ist oft sehr grausam; es scheint, das sogenannte „Böse“ ist ganz willkürlich und ungerecht verteilt.

Ein Kind wird vergewaltigt und stirbt. Es lässt eine liebende Familie zurück und wird nie die Freuden der Jugend, der Ehe oder eigener Kinder erleben, während viele Nazis (darunter auch Josef „Dr. Tod“ Mengele) davonkommen und bis ins hohe Alter ein schönes und entspanntes Leben führen. Ist das gerecht? Soll das ein Zeichen maximaler Größe sein, um mehr Seelen zu Christus zu führen? Die Wahrheit ist, dass der Agnostizismus und der Atheismus in erster Linie die Reaktion auf die Grausamkeit und die brutale Welt sind, in der wir leben: Es ist schwer zu glauben, dass ein maximales Wesen Dinge zulässt, die schlechter sind als das maximal Beste, egal in welcher Welt. Aber was erzählt man dem Agnostiker und dem Atheisten? Glaubt es auf diese oder auf eine andere Art, sonst wartet eine noch weit schrecklichere Welt auf euch! Doch was ist das für ein maximales Wesen, das sich vor seiner Schöpfung verbirgt und blinde Ergebenheit fordert, damit man es in die nächste Welt schafft, die dann – so wird uns gesagt – seine maximale Größe wirklich widerspiegelt? Warum hat er diese "nächste Welt" nicht gleich erschaffen?

Ich war gläubiger Christ, musste aber zusehen, wie meine Mutter und mein Vater ihrer geistigen Fähigkeiten beraubt wurden, und das nach Jahren des treuen Dienstes! Die grausame Welt, in der mein Vater lebt, besteht aus 24 Stunden Schmerz und dem Ansturm der Demenz, und dasselbe Schicksal droht auch meiner Mutter … Ich bin aber nur einer von Millionen Menschen, die zusehen müssen, wie treue Diener des Herrn in diesem Leben mit Demenz, Alzheimer, Krebs, Gulags, Nazis, Tornados, Hurrikans, betrunkenen Autofahrern usw. usf. belohnt werden.

Die Wirklichkeit, Herr Professor Craig, sieht so aus: Unsere Welt spiegelt keine maximale Größe Gottes wider, sondern bloß ein willkürliches Maß an Freude und Schmerz, in dem wir uns alle von Zeit zu Zeit fragen müssen: Warum? Ich will nicht anmaßend wirken, indem ich behaupte, Gott existiert mit Sicherheit nicht, aber es fällt mir immer schwerer zu glauben, dass Gott ein persönlicher Gott, ein maximal großer Gott sein soll.

David

United States

Prof. Craigs Antwort

A

Mein Vater starb an Morbus Parkinson, David, und ich war Zeuge seines langsamen Verfalls in die Demenz. Er war ein lebhafter, erfolgreicher Geschäftsmann gewesen; doch schon bald war er nicht mehr als ein gebrechliches, hilfloses Gespenst. Ich kann Ihre Lage also gut nachempfinden und verstehe etwas von dem Schmerz, den Sie fühlen müssen.

Dennoch verbirgt sich hinter Ihren durchaus aufrichtig gemeinten Fragen eine Reihe von Missverständnissen, die zunächst korrigiert werden müssen. Lassen Sie uns Ihre Fragen eine nach der anderen besprechen.

1. Wie kann ein maximal großes Wesen einen „zureichenden“ Grund haben, Dinge zuzulassen wie etwa die Vergewaltigung eines Kindes, wenn – wie Sie sagen – eine solche Handlung tatsächlich in „objektivem Sinn“ böse ist?

Dies ist ein Ausdruck der sogenannten „logischen Version“ des Problems des Bösen, die davon ausgeht, die Existenz Gottes sei mit dem Übel in der Welt logisch nicht vereinbar. Die Beweislast liegt hier allerdings auf den Schultern des Gottesleugners, der eine solche logische Unvereinbarkeit vertritt. Diese Last hat sich aber als so schwer erwiesen, dass heute kaum noch ein Denker den logischen Aspekt des Problems des Bösen verteidigt. Es ist leicht, beinahe schon trivial, eine logisch vertretbare Auskunft auf Ihre Frage zu geben. Für jedes Übel, das der Atheist anführen kann, kann der Theist anführen, es sei von der Logik her möglich, dass durch seine Zulassung zwei ähnliche Ereignisse (und damit zweimal so viel Übel) verhindert worden wären. Wenn das nicht reicht, dann können Sie das mit fünf multiplizieren oder auch gerne mit hundert – jedes Gedankenspiel ist logisch möglich. Sie sagen vielleicht, das sei höchst unwahrscheinlich? Stimmt, doch damit verlassen Sie den logischen Bereich des Problems des Bösen und wenden sich dem probabilistischen Problem des Bösen zu, welches ein anderes Diskussionsfeld ist.

Das Missverständnis hinter Ihrer Frage, David, zeigt sich in Ihrer Zusatzbemerkung: „Lässt Gott dies zu, dann folgt daraus logisch, dass es – objektiv gesehen – nicht falsch sein kann.“ Sie gehen fälschlicherweise davon aus, dass wenn Gott eine Handlung geschehen lässt, diese Handlung – objektiv gesehen – nicht falsch sein könne. Kein Wunder also, dass Sie denken, wenn Gott etwas Böses zulässt, sei das, wie wenn er zuließe, dass die Rechnung zwei plus zwei fünf ergibt! Sie meinen, Gottes Zulassen einer bösen Handlung verwandle diese Handlung von einer objektiv bösen in eine objektiv gute oder wenigstens neutrale Handlung, aber so etwas ist unmöglich. Es ist verworren. Wenn Gott Menschen sündigen lässt, bleiben sündige Handlungen böse Handlungen. Doch dadurch dass Gott die Menschen sündigen lässt, ist er nicht selbst böse. Sie hätten sagen sollen: „Lässt Gott es zu, dann folgt daraus logisch, dass diese ʼErlaubnis‘ – objektiv gesehen – nicht falsch sein kann.“ Sie haben einen unlogischen Sprung vollzogen von der Erlaubnis Gottes, dass etwas geschieht, zur moralischen Annehmbarkeit der Handlung selbst.

Diesen Sprung versuchen Sie zu rechtfertigen, indem Sie fragen: „Wie sonst könnte Gott auch zureichende Gründe haben, es zuzulassen?“ Ganz einfach: Entweder, indem er dadurch etwas Besseres erreicht oder etwas Schlechteres verhindert! Tun wir nicht täglich dasselbe? Wir nehmen ein Übel in Kauf, weil wir dadurch ein größeres Gut erlangen oder etwas Schlimmeres verhüten. Man braucht keine „magische Fähigkeit“, eine böse Tat in eine gute umzuwandeln, damit man moralisch ausreichend Gründe hat, sie zuzulassen.

2. Warum sollte ein maximales Wesen eine Welt erschaffen, die seine maximale Größe nicht widerspiegelt?

Der Christ glaubt, dass unsere Welt Gottes maximale Größe sehr wohl widerspiegelt, besonders in seinem selbstlosen, aufopfernden, sühnenden Tod für Sünder, die ein solches Opfer nicht verdient haben. Ihr Argument, Gottes maximale Größe finde in dieser Welt keine Reflexion, David, ist wirklich sehr verworren. Überdenken Sie doch noch einmal Ihr einleitendes Argument:

P1: Eine Welt, in der es keinen Holocaust gibt, ist besser als eine Welt, in der so etwas vorkommt.

P2: Der Holocaust hat sich ereignet.

P3: Daher ist unsere Welt nicht die beste.

Das ist ein seltsamer Gedankengang. Offenbar verstehen Sie den technischen Begriff der „maximalen Größe“ (engl. maximal greatness) nicht. Die „maximale Größe“ ist ausschließlich eine Sache Gottes, daher ist die Schlussfolgerung belanglos. Keiner glaubt, die geschaffene Welt sei in ihrem Zustand die beste, die es geben könne. Selbst jene, die glauben, sie sei die beste mögliche Welt, behaupten nicht, sie habe ihren Maximalzustand im Hinblick auf das Gute erreicht. Es gibt gar keinen Grund anzunehmen, es könne eine „beste mögliche Welt“ (oder gleich mehrere davon) geben – wie viel weniger ist es diese!

Sie behaupten daraufhin: „Daraus würde logischerweise folgen: Wenn die Existenz einer solchen Welt auch nur möglich wäre, dann kann es nur solche Welten geben – wenn es tatsächlich ein „höchstes Wesen“ gibt.“ Diesen Fehlschluss bezeichnet Alvin Plantinga als „Leibniz’sches Versehen“: Aus Gottes Allmacht schloss Leibniz irrigerweise, diese Welt müsse die bestmögliche sein. Leibniz übersah: Man kann sich zwar Welten denken, die von der Logik her möglich sind, die Gott aber aus Gründen der Praktikabilität nicht Wirklichkeit werden lässt. So weist Plantinga darauf hin: Zwar könnte man sich sündlose Welten mit freien Geschöpfen logisch denken. Gott verwirklicht solche Welten aber nicht, weil das nicht machbar wäre, allein wenn man bedenkt, welche Entscheidungen solche freien Geschöpfe treffen würden. Es gibt folglich nur eine bestimmte passende Teilmenge logisch möglicher Welten, die Gott möglicherweise verwirklichen kann. Keine dieser Welten enthält so viel Gutes wie unsere Welt, ohne gleichzeitig ebenso viel Böses zu enthalten. [1]

Sie eifern gegen die Grausamkeit und Ungerechtigkeit der Welt. Selbstverständlich ist unsere Welt grausam und ungerecht, David! Welche Bibel lesen Sie eigentlich? Die Bibel lehrt doch, dass wir in einer gefallenen, sündigen Welt leben, dass „die ganze Welt sich im Bösen befindet“ (1. Joh 5,19). Die ganze Schöpfung „seufzt mit“ und liegt mit „in Wehen“ bis zu ihrer Erlösung (Röm 8,18-22). „In der Welt habt ihr Angst“, sagt Jesus, „doch seid getrost: Ich habe die Welt überwunden!“ (Joh 6,33). Als Christen folgen wir einem gekreuzigten Erlöser, der selbst zum Opfer menschlicher Ungerechtigkeit und Grausamkeit wurde, und „der Diener steht nicht über seinem Herrn“ (Joh 15,20). Unsere Hoffnung gründet sich nicht auf diese Welt, sondern auf die Auferstehung, in der alle Gebrechen und alle Krankheiten auf ewig Vergangenheit sein werden. Jesu eigene Auferstehung ist die Grundlage unserer Hoffnung.

Sie fragen: „Was ist das für ein allerhöchstes Wesen, das sich vor seiner Schöpfung verbirgt und blinde Ergebenheit fordert, damit man es in die nächste Welt schafft, die dann – so wird uns gesagt – seine „maximale Größe“ wirklich widerspiegelt?" Was für eine verdrehte Auffassung vom Christentum Sie doch haben! Gott „verbirgt“ sich weder vor seiner Schöpfung, noch verlangt er „blinde Ergebenheit“. Er offenbart sich vielmehr in der Schöpfung und Menschheitsgeschichte durch die Fleischwerdung und Auferstehung Jesu Christi. Er hat sich in der Schöpfung bezeugt, was dem Menschen eigentlich genügen müsste (Röm 1,20), und hat viel mehr getan als das: Er will durch seinen Geist alle Menschen zu sich ziehen (Joh 16,8)! Wenn Gott sich verbirgt, dann allerdings vor denen, die ihr Herz absichtlich verschließen und die demütige Suche nach Gott stolz abweisen.

Sie fragen: „Warum hat Gott diese Welt nicht gleich erschaffen?" Ganz einfach, weil jene Welt das Ergebnis der freien Entscheidung des Menschen ist, Gott zu gehorchen und ihn anzubeten. Unsere Welt hingegen ist ein „Tal der Entscheidung“, in welchem wir die furchteinflößende Verantwortung haben, unser ewiges Schicksal zu bestimmen. Gott will, dass Sie ihn kennen und sich in Ewigkeit seiner erfreuen, aber er wird Sie nicht dazu zwingen.

Aus Ihren abschließenden Bemerkungen wird klar, David, dass Sie eher unter dem „emotionalen Aspekt der Problematik des Bösen“ leiden, wie ich das bezeichne. Nicht die gedankliche Seite des Problems macht Ihnen zu schaffen. Lassen Sie mich den „Philosophenmantel“ daher ablegen und Ihnen stattdessen einen seelsorgerlichen Rat geben. Ihre Eltern haben ihr ganzes Leben auf eine Karte gesetzt: dass das Christentum die Wahrheit ist. Meinen Sie, sie würden sich freuen zu erfahren, dass Sie im Begriff sind, den christlichen Glauben ihres Leidens wegen aufzugeben? Sie glaubten, das Leiden der jetzigen Zeit sei nur ein unendlich kurzer Moment, verglichen mit der Ewigkeit, die sie bei Gott im Himmel verbringen werden. Fragte man sie, ob sie denn bereit wären, die Zeit ihrer Leiden auf der Erde zu ertragen, um die Ewigkeit zu gewinnen, würden sie ohne Zögern antworten: „Ja, Millionen Male!“ Welchen Trost, welche Hoffnung hat Ihnen der Atheismus stattdessen anzubieten? Weshalb den Trost ablehnen, der in Christus und in der Hoffnung der Auferstehung zu finden ist? Wohin wollen Sie sich sonst wenden? Welche Hoffnung haben Sie denn für Ihre Eltern? Wenn Sie sich von Gott abwenden, dann wenden Sie sich gleichzeitig von der einzigen Antwort ab, die es auf das Leid Ihrer Eltern gibt.

Hätten Sie wirklich gute intellektuelle Gründe, die christliche Hoffnung als trügerisch anzusehen, dann müssten Sie die bittere Pille schlucken und sich in den Abgrund der Verzweiflung stürzen. Aber genau die haben Sie nicht, David! Ihre Argumente sind verworren und entstammen einem Missverständnis. Ich fürchte, Sie bilden vielmehr ein intellektuelles Gebräu, mit dem Sie Ihre emotionale Ablehnung Gottes rechtfertigen wollen. Lassen Sie sich nicht von derlei unsinnigen Vernünfteleien verleiten, sondern bekennen Sie Ihre Sünde, suchen Sie Gott und finden Sie Trost in ihm. Ihre Eltern würden sich riesig darüber freuen!

(Übers.: I. Carobbio; L: LT)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/gods-permitting-horrific-evils

[1]

Siehe Alvin Plantinga, God, Freedom, and Evil (Grand Rapids, Mich.: Wm. B. Eerdmans, 1974). Ich empfehle Ihnen, dieses Buch zu lesen!

– William Lane Craig

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