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#366 Zweifel an Jesu Begräbnis und am leeren Grab

#366 Zweifel an Jesu Begräbnis und am leeren Grab

January 14, 2016

F

Sehr geehrter Prof. Craig,

in Ihren Debatten zur Auferstehung Jesu kommen Sie immer wieder auf vier Fakten zu sprechen, von denen auch die Mehrheit der Neutestamentler ausgeht: die ehrenvolle Grablegung Jesu, die Entdeckung des leeren Grabes durch die Frauen, die Erscheinungen Jesu nach der Auferstehung und der überzeugte Glauben der Jünger an die Auferstehung. Die Mehrheit der Gelehrten mögen damit konform gehen; meine Frage betrifft die Minderheit, die ihnen widerspricht. So hat etwa John Dominic Crossan behauptet, man habe Jesus nur knapp unter der Oberfläche begraben; sein Körper sei von wilden Hunden gefressen worden. Wie kommen Gelehrte, die den oben genannten vier Fakten widersprechen, auf so einen Gedanken? Wenn ich mich nicht irre, gibt es nur äußerst wenige außerbiblische Quellen, die von der Auferstehung sprechen, und nicht eine widerspricht den vier genannten Fakten. Die kanonischen Evangelien sind ja darin sehr deutlich, dass diese vier Fakten sich tatsächlich ereignet haben. Auf welcher Basis widersprechen jene Gelehrten den vier genannten Fakten?

Besten Dank,

Jake

United States

Prof. Craigs Antwort

A

Jake, ich erinnere mich noch genau, wie erstaunt ich war, als ich las, dass Crossan glaubte, Jesu Leichnam sei nicht angemessen begraben worden wie die Evangelien berichten, sondern in ein provisorisches Grab gelegt worden, das nur knapp unter der Oberfläche liegt, das wahrscheinlich wilde Hunde aufstöberten, die dann den Leichnam fraßen. Ich hatte in Deutschland meine Dissertation zur Geschichtlichkeit der Auferstehung Jesu fertiggestellt und war mir bewusst, dass die große Mehrheit der Historiker zum Neuen Testament die Hinweise auf Jesu Begräbnis in einem Grab des Joseph von Arimathäa für überzeugend hielt. [1] Ich fragte mich also: Welche Belege hat Crossan, die Ansicht der Mehrheit der Gelehrten anzuzweifeln? Wie will er die vielfachen Belege widerlegen, die die meisten Gelehrten von der Tatsache überzeugten, dass Jesus von Joseph von Arimathäa begraben worden war? Welche Hinweise hat er entdeckt, die uns davon überzeugen sollen, dass man sich Jesu Leichnam auf jene Art und Weise entledigte, die sich Crossan einbildet?

Nun, Sie können sich meine Enttäuschung vorstellen, als ich beim Lesen seiner Arbeit feststellte: Crossan führt überhaupt keine spezifischen Belege für seine Hypothese zum Schicksal des Leichnams Jesu an, schon gar keine überzeugenden. Vielmehr äußert er nur seine Vermutung darüber, was mit dem Leichnam Jesu geschehen sein könnte, auf Basis seiner Sicht, wie die damals übliche Vorgehensweise bei Begräbnissen war. [2] Da er die Geschichtlichkeit des leeren Grabes leugnet (von der Auferstehung ganz zu schweigen), muss er auch die Genauigkeit der Berichte darüber infrage stellen. Ist nämlich der Bericht vom Begräbnis genau, dann war sowohl Juden wie Christen Jesu Grab in Jerusalem bekannt; eine Bewegung, die sich auf die Auferstehung eines Toten in Jerusalem gegründet hätte, wäre angesichts eines Grabes, das seinen Leichnam barg, unmöglich gewesen. Crossan ist damit gezwungen, eben jene Tatsache zu leugnen, die die große Mehrheit der neutestamentlichen Gelehrten von heute für erwiesen hält.

Crossan vermutet, Jesu Leichnam sei auf einem schmutzigen Friedhof verscharrt worden, der normalerweise für hingerichtete Verbrecher vorgesehen war, gibt für diese Vermutung aber keine bestimmten Belege an. [3] Vielmehr trachtet er danach, die Glaubwürdigkeit der Evangelienberichte zum Begräbnis und zur Auferstehung Jesu zu untergraben, indem er Evangelien und Überlieferung einer allgemeinen Analyse unterzieht. Bedauerlicherweise ist seine traditions-historische Analyse dermaßen schräg und gekünstelt, dass die überwältigende Mehrheit der Neutestamentler sie für völlig unglaubwürdig hält. [4] Siehe dazu meine Kritik zu Crossans Untersuchung. [5]

Was Crossans Skeptizismus wirklich antreibt, sind keine geschichtlichen, sondern philosophische Überlegungen, genauer: Crossans Anti-Supernaturalismus. Wie sich im Kreuzverhör meiner Debatte mit Crossan zum Thema Jesu Auferstehung zeigte, ist Crossan in Wahrheit ein Atheist, der Gott lediglich für ein Konstrukt der menschlichen Phantasie hält, das der Gläubige der Wirklichkeit überstülpt. [6] Ein übernatürliches Ereignis wie die Auferstehung ist für ihn daher a priori (von vornherein) unmöglich, egal, welche Beweise es dafür geben mag.

(Übers.: I. Carobbio; L:RN)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/grounds-for-scepticism-concerning-jesus-burial-and-empty-tomb

[1]

Die Belege, die die meisten Gelehrten von der Historizität des Begräbnisses Jesu überzeugten, habe ich in Reasonable Faith (3. Aufl., Wheaton, Ill.: Crossway 2008, S. 361-371) dargelegt. Siehe dazu auch diesen ausführlichen wissenschaftlichen Fachartikel: http://www.reasonablefaith.org/the-historicity-of-the-empty-tomb-of-jesus

[2]

John Dominic Crossan, Who Killed Jesus? Exposing the Roots of Anti-Semitism in the Gospel Story of the Death of Jesus (San Francisco: HarperSan Francisco, 1994, Kap. 6). Siehe auch ders., The Historical Jesus: The Life of a Mediterranean Jewish Peasant (San Francisco/Edinburgh: HarperSan Francisco/T. & T. Clark, 1991, S. 392f); ders., The Cross that Spoke: The Origins of the Passion Narrative (San Francisco: Harper & Row, 1988, S. 21.235-240); ders., Four Other Gospels (Minneapolis: Winston, 1985, S. 153-164).

[3]

Crossan scheint die gewöhnlichen Begräbnisgebräuche Israels ernsthaft missverstanden zu haben. Im Judentum galt ein Leichnam für unrein; alles, was mit ihm in Berührung kam, wurde ebenfalls unrein. Daher ist es undenkbar, dass die jüdische Obrigkeit ein Grab zugelassen hätte, das Hunde hätten aufstöbern können, um sodann mit menschlichen Knochen im Maul durch die Straßen der heiligen Stadt Jerusalem zu laufen! Es mag sogar sein, dass die Leichen von hingerichteten Verbrechern in Gemeinschafsgräber mit den Überresten anderer Verbrecher gelegt worden sind, damit sie nichts unrein machten.

[4]

Howard Clark Kee geißelt Crossans Vorgehen in einer glühenden Kritik als „einen Triumphzug des Zirkelschlusses“ (Kee, „A Century of Quests of the Culturally Compatible Jesus“, Theology Today, 52 [1995], S. 22; vgl. S. 24). Etwas gnädiger bezeichnet N. T. Wright Crossans „Historical Jesus“ als „Buch, das man nicht nur um seiner großen Gelehrsamkeit, Gründlichkeit und wegen seines brillanten Umgangs verschiedener und komplizierter Themen schätzen sollte, sondern auch wegen seines bewundernswerten Ideenreichtums, vor allem aber wegen seiner hohen Lesbarkeit. … Umso enttäuschender daher, dass man schließen muss, dass das Buch beinahe überall falsch liegt.“ (N. T. Wright, Jesus and the Victory of God, Minneapolis: Fortress 1996, S. 44). Auch Ben Meyer lobt das Buch wegen seiner Lesbarkeit, seines schnellen Tempos und seiner nützlichen Informationen, aber er schließt: „Als Beitrag zur historischen Jesus-Forschung ist es absolut unhaltbar“ (Meyer, „Critical notice of The Historical Jesus“, Catholic Biblical Quarterly 55 [1993], S. 576).

[5]

Vgl. W.L. Craig: „John Dominic Crossan on the Resurrection of Jesus,” in The Resurrection, S. Davis, D. Kendall, und G. O’Collins (Hrsg. Oxford: Oxford University Press, 1997), S. 249-271.

[6]

Will the Real Jesus Please Stand Up? Debatte mit John Dominic Crossan; Hrsg: Paul Copan. Mit Antworten von Robert Miller, Craig Blomberg, Marcus Borg und Ben Witherington III. (Grand Rapids, Michigan: Baker Bookhouse 1998, S. 49-51).

– William Lane Craig

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