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#390 Wenn Jesus für alle Sünden gestorben ist – werden dann auch alle Menschen gerettet?

#390 Wenn Jesus für alle Sünden gestorben ist – werden dann auch alle Menschen gerettet?

July 12, 2016

F

Sehr geehrter Prof. Craig,

in letzter Zeit wachsen meine Zweifel am christlichen Glauben. Könnten Sie mir eine Frage über das Evangelium beantworten?

Als Jesus am Kreuz starb, tat er das entweder für alle Sünden oder nur für einige. Das Zweite würde bedeuten, dass sein Sühneopfer nur teilweise gültig ist, was nicht in der Bibel steht. Aber wenn Jesus die Strafe für alle Sünden getragen hat, wie kommt es dann, dass trotzdem manche Menschen in die Hölle kommen?

Wenn Jesus am Kreuz alle unsere Schuld getragen hat, dann muss niemand selber für seine Schuld büßen.

Aber es gibt Menschen, die (in der Ewigkeit) für ihre Schuld büßen müssen.

Folglich hat Jesus nicht alle unsere Sünden am Kreuz getragen.

Das heißt doch, dass man nicht behaupten darf, dass Jesus für alle Sünden gestorben ist. Aber wenn sein Sühneopfer nicht für alle gilt, widerspricht das doch den biblischen Aussagen, dass jeder durch Jesus erlöst werden kann. Was stimmt denn nun? Ich sehe da ein großes Problem.

Vielen Dank im Voraus! Ich schätze Ihre Arbeit sehr.

Ihr Bruder in Christus,

Alan

United States

Prof. Craigs Antwort

A

Ich stimme mit Ihnen überein, Alan, dass Christus nicht nur für die Sünden der Erwählten starb (begrenzte Versöhnung), sondern für die der ganzen Welt (1. Johannes 2,2). Aber mir scheint, dass die offensichtliche Antwort auf Ihre Frage lautet, dass jemand, der das Sühneopfer Christi für seine Sünden ablehnt, diese dann selber zu büßen hat. Nur ein Calvinist, der die Freiheit des Menschen verneint, wird Ihre Frage als Problem empfinden (und die Lehre von der begrenzten Versöhnung findet sich denn auch nur in calvinistischen Kreisen). Jemand, der an die Freiheit des Menschen glaubt, kann, ohne sich zu widersprechen, sagen, dass ich dann, wenn ich Gottes Angebot der Versöhnung und des ewigen Lebens, das dieser mir durch den Sühnetod Christi macht, ausschlage, keine Versöhnung für meine Sünden bekomme und diese folglich selber tragen muss.

Ich würde also Ihre Prämisse 1 (s.o.) ohne Zögern verneinen. Wer Christi Sühneopfer für seine Sünden ablehnt und sein Herz gegen Gottes Gnade verschließt, muss selber für seine Sünden bezahlen.

Sie mögen hier einwenden: „Aber wird Gott es den Menschen nicht auch vergeben, wenn sie Christi Sühnetod für ihre Sünden ausschlagen?“ Ich finde in der Bibel keine solche Zusage. Im Gegenteil, dort steht: „Wenn wir ihn verleugnen, wird auch er uns verleugnen“ (2. Timotheus 2,12 NL), und Jesus warnte: „Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes“ (Lukas 12,9 LÜ). Gott und seine Gnade zu verwerfen, ist sozusagen eine Sünde höherer Ordnung, die einen von der Vergebung, die Gott uns in Christus anbietet, ausschließt. Es ist allein diese Art Sünde (und nicht unsere „normalen“ Sünden), die Menschen in die Hölle bringt.

Nichts in der Bibel deutet darauf hin, dass der Sühnetod Christi auch für diese Sünde höherer Ordnung gilt. Im Gegenteil, Jesus sagt: „Wahrlich, ich sage euch: Alle Sünden werden den Menschenkindern vergeben … wer aber den heiligen Geist lästert, der hat keine Vergebung in Ewigkeit, sondern ist ewiger Sünde schuldig“ (Markus 3,28–29, LÜ). Jesus sagte dies, als seine Gegner behaupteten, er diene dem Satan. Allgemein gesprochen, bedeutet diese Sünde, dass man sich beharrlich weigert, Gottes Handeln in Christus anzuerkennen, und sich damit gegen den Heiligen Geist stellt. Wenn ein Nichtgläubiger diese Sünde begeht, nennt man sie die „Lästerung des Heiligen Geistes“; wenn ein Christ sie begeht, heißt sie „Abfall von Christus“ (vgl. Hebräer 6,4–8; 10,29–31). In beiden Fällen ist sie unvergebbar. Unvergebbar warum? Weil es nicht eine normale Sünde ist (bei der man etwas Böses tut, sagt oder denkt), sondern die bewusste Ablehnung Christi und seiner Versöhnung am Kreuz.

Wenn Sie, Alan, in Ihrem Punkt 1 zu „alle unsere Schuld“ auch diese Sünde gegen den Heiligen Geist zählen, ist Ihre Folgerung in Ihrem Punkt 3, dass Jesus nicht alle unsere Sünden am Kreuz getragen habe, für den bibeltreuen Christen kein wirkliches Problem. Ich glaube aber, dass Jesus in Markus 3,28 mit „alle Sünden“ lediglich alle „normalen“ Sünden meint, da er gleich anschließend von einer Sünde redet, für die es keine Vergebung gibt.

Was mich an Ihrer Frage etwas erschreckt, ist Ihre Bemerkung, „in letzter Zeit wachsen meine Zweifel am christlichen Glauben“. Damit bewegen Sie sich gerade in die entgegengesetzte Richtung von der, die ich bei anderen Fragestellern dieser Woche feststelle – z.B. bei dem Arzt aus Großbritannien, der mir berichtet, dass seine Beschäftigung mit der christlichen Lehre und Apologetik „meinen Glauben erheblich gestärkt hat, sodass ich jetzt ganz anders mit Gott lebe.“ Wenn der Grund für Ihre Skepsis in Argumenten wie dem liegt, worüber Sie mir geschrieben haben, sollten Sie sich mehr in die christliche Theologie und Apologetik vertiefen. Darf ich Ihnen unsere „Defenders podcasts“ auf dieser Website empfehlen? Es wäre schlimm, wenn Sie Ihren Glauben verlieren würden, bloß weil Sie manche Dinge falsch verstanden haben.

William Lane Craig

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: www.reasonablefaith.org/does-the-atonement-imply-universalism

– William Lane Craig

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