#393 Ist das Universum lebensfeindlich?
November 10, 2016
F
Sehr geehrter Prof. Craig,
möge Gott Sie und Ihren Dienst weiter segnen. Als ich mir verschiedene Einwände gegen das Argument aus der Feinabstimmung des Universums anschaute, fand ich auch folgendes Zitat von Neil DeGrasse Tyson:
„Die meisten Orte im Universum sind für das Leben sofort tödlich – sofort! Es gibt Leute, die sagen: „O, die Naturkräfte sind gerade richtig für das Leben.“ Entschuldigen Sie, aber schauen Sie sich doch einmal die riesigen Räume im Universum an, wo man nicht leben kann, sondern sofort sterben würde.“
Ich habe den Eindruck, dass es ein Wunder ist, dass es überhaupt irgendwo im Weltall Leben gibt. Ihr Argument zur Verteidigung der Feinabstimmung ist Spitze, aber ich würde gerne einmal hören, was Sie persönlich Dr. Tyson antworten würden.
Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, meine Frage zu beantworten, und Gott segne Sie!
Franquelis
United States
Prof. Craigs Antwort
A
Dieser Einwand ist albern und zeigt nur, dass Tyson das Feinabstimmungs-Argument nicht verstanden hat. Was erklärt werden muss, ist warum das Universum Leben ermöglichst, statt es zu verhindern. Es geht darum, dass die Wissenschaftler die überraschende Entdeckung gemacht haben, dass dann, wenn überhaupt und irgendwo im Universum Leben in der Form möglich sein soll, dass es Lebewesen mit einem Körper gibt, die auf ihre Umwelt und aufeinander reagieren, die fundamentalen Konstanten und Quantitäten in der Natur so präzise „stimmen“ müssen, dass man es schier nicht fassen kann. Wäre auch nur eine dieser Konstanten oder Quantitäten anders, würde das Universum die Existenz körperlichen, interaktiven Lebens nicht erlauben. Die Feinabstimmung ist eine notwendige Bedingung für Leben in einem Universum, in welchem die gegenwärtigen Naturgesetze herrschen.
Man beachte, dass Tysons Einwand nicht versucht, die Feinabstimmung zu erklären, sondern dass er das Faktum der Feinabstimmung leugnet. Aber es ist offensichtlich ein Trugschluss, zu denken, dass das Universum kein Leben erlaubt, weil Teile von ihm kein Leben erlauben! Und es ist ebenso ein Trugschluss, zu glauben, dass das Universum keine Feinabstimmung besitzt, weil die entsprechenden Parameter lediglich notwendige, aber noch nicht hinreichende Bedingungen für die Existenz von körperlichem, interaktivem Leben sind. Die Tatsache, dass für solches Leben noch weitere Bedingungen erforderlich sind (z.B. eine bestimmte Planetenmasse, eine bestimmte Entfernung von einem Zentralgestirn, ein Mond, ein Planet von der Größe des Jupiters, der durch seine Gravitation gefährliche Kometen und Asteroiden anzieht und damit unschädlich macht etc. etc.), ändert überhaupt nichts daran, dass in einem Universum, dessen Konstanten und Quantitäten auch nur ein wenig anders wären, kein Leben möglich wäre. Solche zusätzlichen Bedingungen sind eher zusätzliche Stützen des Design-Arguments.
Ich habe den Verdacht, dass hinter Tysons Einwand der häufig gemachte Fehler liegt, zu denken, „feinabgestimmt“ sei gleichbedeutend mit „designt“. Riesige Räume im Universum sind lebensfeindlich, also – so wird gefolgert – ist das Universum nicht als Ort für Leben konzipiert. Selbst diese Folgerung ist nicht schlüssig, aber lassen wir das hier außen vor. Das Wichtige ist, dass „Feinabstimmung“ nicht „Design“ bedeutet. Denn das würde das Feinabstimmungs-Argument zu einer bloßen Tautologie machen. [1] Feinabstimmung ist vielmehr die schlichte, neutrale Tatsache, dass dann, wenn das Universum irgendwo Leben erlauben soll, die fundamentalen Konstanten und Quantitäten innerhalb eines unvorstellbar schmalen Variationsbereichs liegen müssen, und es ändert nichts an dieser Tatsache, dass riesige Bereiche des Universums die für das Entstehen von Leben notwendigen zusätzlichen Bedingungen nicht erfüllen. Die Frage ist vielmehr, wie wir diese Feinabstimmung am besten erklären können.
(Übers.: Dr. F. Lux)
Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/is-the-universe-hostile-to-life
[1]
Das Design-Argument schließt von Indizien von Design (z.B. Feinabstimmung) auf tatsächliches Design, und nicht etwa von Design auf Design. Wie man in folgender Formulierung des Feinabstimmungsarguments sieht, steht in Prämisse 1 nur "Feinabstimmung", und erst in der Konklusion erfolgt der Schluss auf "Design":
P1: Es gibt eine Feinabstimmung der Naturkonstanten und Größen des Universums, die Leben ermöglicht.
P2: Die Feinabstimmung ist entweder eine Folge von Zufall, Notwendigkeit oder Design.
P3: Die Feinabstimmung ist keine Folge von Zufall oder Notwendigkeit.
K: Daher ist die Feinabstimmung eine Folge von Design.
Würde Feinabstimmung bereits Design implizieren, wäre der Schluss eine Tautologie, da man dann von Design auf Design schließen würde. (Anm. d. Übers.)
– William Lane Craig