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#668 Sollte eine Pfütze überrascht sein, dass es sie gibt? Oder wir, dass es uns gibt?

#668 Sollte eine Pfütze überrascht sein, dass es sie gibt? Oder wir, dass es uns gibt?

April 10, 2020

F

Sehr geehrter Prof. Craig,

kürzlich sind mir Argumente von Atheisten untergekommen, die behaupten, dass nicht das Universum für das Leben feinabgestimmt ist, sondern umgekehrt das Leben für das Universum. Sie beschreiben dies anhand der „Pfützen“-Analogie (Sie kennen sie sicher). Ich habe Ihre Website vergeblich nach etwas zu diesem Argument durchforstet, aber vielleicht habe ich es nicht richtig gemacht. Könnten Sie mir Ihre Widerlegung dieses Arguments geben oder mir sagen, wo auf Ihrer Website Sie dieses Thema ansprechen? Dieses Argument ist ein echtes Problem für mich, und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ganz herzlichen Dank für Ihre Arbeit und dass Sie sich Zeit für mich nehmen.

Simon

United States

Prof. Craigs Antwort

A

So wie Sie ihn formuliert haben, enthält dieser Einwand eine Reihe von Ungereimtheiten. Erstens: Die Behauptung, dass das Universum nicht für das Leben feinabgestimmt sei, scheint mir ein Missverständnis des Begriffs „Feinabstimmung“ zu beinhalten. „Feinabstimmung“ („Fine-tuning“) ist ein Fachausdruck dafür, dass die Konstanten und Größen der Natur nur innerhalb eines sehr engen Toleranzbereichs Leben erlauben. Doch der Gegner scheint den Ausdruck im Sinne von „designed“ zu verstehen. Was er sagen will, ist: So wie das Loch, das durch eine Pfütze gefüllt ist, nicht für die Pfütze „gemacht“ worden ist, ist das Universum nicht für uns gemacht und daher nicht feinabgestimmt. Dies ist einfach falsch gedacht. Der Ausdruck „Feinabstimmung“ ist ein neutraler Begriff, der nichts in Richtung auf eine Erklärung der beobachteten Fälle von Feinabstimmung aussagt. Sonst würden Versuche, die Feinabstimmung des Universums durch Zufall oder Notwendigkeit zu erklären, sich selbst widersprechen. Die Tatsache der Feinabstimmung des Universums für körperliche, bewusste Akteure ist in der Physik fest etabliert und kaum zweifelhaft. Die Frage ist, wie man die Feinabstimmung am besten erklärt – durch Notwendigkeit, Zufall oder Design?

Die weitere Behauptung, dass das Leben für das Universum feinabgestimmt sei, ist für mich unverständlich. Der Gegner kann mit „feinabgestimmt“ nicht „designed“ meinen, weil das seinen Einwand entkräften würde. Aber was meint er dann? Dass, damit das Universum existieren kann, die Parameter des Lebens in einem sehr engen Toleranzbereich liegen müssen? Das macht absolut keinen Sinn. Ich habe den Verdacht, dass die Behauptung des Einwanderhebers einfach ein flotter, aber sinnloser Spruch ist.

Dass Sie bei Ihren Recherchen nichts über die „Pfützen“-Analogie fanden, liegt nicht daran, dass Sie es nicht richtig gemacht haben, sondern dass Sie nicht erkannt haben, dass hier ein alter Einwand in neuen Kleidern daherkommt. Die „Pfützen“-Analogie ist schlicht unser alter Freund, das anthropische Prinzip. Man beruft sich auf einen Selbstselektions-Effekt, um die Überraschung über das, was man beobachtet (wie unwahrscheinlich es auch aussehen mag), zu eliminieren. Die anthropomorphisierte Pfütze kann nur dann über ihre Existenz staunen, wenn das Loch existiert. Es sollte die Pfütze also nicht überraschen, wie gut das Loch und sie zueinander passen. Wäre das Loch nicht da, gäbe es auch keine Pfütze, die über das Loch staunen kann.

Die „Pfützen“-Analogie hat zahlreiche Schwächen. So suggeriert sie z.B., dass wir versuchen, zu erklären, warum dieses Universum (diese Pfütze) existiert.[1] Aber das tun wir gar nicht, sondern wir versuchen, zu erklären, warum ein Universum, das Leben erlaubt, existiert. Auf die Pfütze angewendet, würde die Frage lauten, warum Pfützen existieren. Pfützen gibt es in allen möglichen Größen und Formen, sodass es keine Feinabstimmung für sie gibt, die man erklären müsste. Die Analogie bricht zusammen.

Doch mehr noch: Die Vertreter des anthropischen Prinzips wissen, dass die legitime Anwendung dieses Prinzips nur in Zusammenhang mit einer Multiversum-Hypothese möglich ist. Es kann gut sein, dass der Einwanderheber das Multiversum stillschweigend voraussetzt, da es ja alle möglichen Pfützen gibt, und jede Pfütze ist anders. Aber damit hat er sein Schiff in die Tiefen des metaphysischen Meeres gesteuert und muss jetzt seine Multiversum-Hypothese gegen Einwände verteidigen.

Und schließlich – und dies ist der wichtigste Punkt – läuft der angebliche Selbstselektions-Effekt in Richtung auf körperliche Agentien ins Leere. Wie der Philosoph Robin Collins erklärt hat, gibt es keinen vernünftigen Grund für die Annahme, dass es nur in feinabgestimmten Universen Beobachter gibt. Dies ist die Pointe des berühmten Boltzmann-Gehirn-Problems. Welten, die aus einem einzigen Beobachter mit der illusorischen Wahrnehmung einer Außenwelt um ihn herum bestehen, sind physikalisch möglich. Wie kann der Einwanderheber also beweisen, dass wir uns nicht in solch einer Boltzmann-Gehirn-Welt befinden? Er kann es eindeutig nicht, und damit scheitert seine Behauptung, dass wir, wie die Pfütze, nur solche Welten beobachten können, die auf unsere Existenz feinabgestimmt sind, und damit auch seine Ablehnung des Design-Arguments.

[1] Der Einwand scheint auch vorauszusetzen, dass Form und Größe der Pfütze wesentlich für ihre Existenz sind, was nicht überzeugt.

– William Lane Craig

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