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#683 Adams Sünde und der Tod

#683 Adams Sünde und der Tod

July 04, 2020

F

Sehr geehrter Prof. Craig,

wie denken Sie über die Beziehung zwischen Sünde und Tod in der Bibel? Mir scheint es hier nur drei Möglichkeiten zu geben:

1. Gott hat in das Universum von vornherein den Tod mit eingebaut; die Menschen würden also auch dann sterben, wenn es nie zum Sündenfall gekommen wäre.

2. Gott hatte eigentlich ein Universum ohne Tod geplant; der Tod ist die direkte Folge des Sündenfalls. Auf irgendeine Weise hat unsere Rebellion gegen Gott etwas im Universum „kaputtgemacht“, d. h. der Sündenfall führte zu Veränderungen in grundlegenden biologischen und physikalischen Prozessen.

3. Gott hatte ein Universum ohne Tod geplant, aber als der Sündenfall kam, reagierte er damit, dass er das Universum „verfluchte“ und so selber den Tod in es einführte – weil er wusste, dass dies die beste Antwort war auf das, was die Menschen getan hatten.

Wenn Sie die aktuellen Todesängste im Zusammenhang mit COVID-19 bedenken, die zahlreichen evangelistischen Gelegenheiten, mit den Menschen über Sünde, Tod und Erlösung zu reden (oder, umgekehrt, die möglichen Einwände gegen die angebliche Absurdität der Beziehung zwischen Sünde und Tod), sowie Ihre persönlichen Forschungen über den historischen Adam, wie würden Sie die Beziehung zwischen Tod und Sünde in der Bibel beschreiben?

Gott segne Sie!

Peter

United Kingdom

Prof. Craigs Antwort

A

Es ist schön, von Ihnen zu hören, Peter! Das Thema ihrer Frage ist eines, bei dem ich im Zuge meiner Forschungen über den historischen Adam zu einer deutlichen Änderung meiner Position gekommen bin. Diese Änderung hat nichts mit der Historizität Adams zu tun, sondern mit dem richtigen Verständnis biblischer Texte.

In 1. Korinther 15,42-44 bezeichnet Paulus unseren gegenwärtigen (sterblichen und vergänglichen) Körper als soma psychikon („natürlicher Leib“). Bei der eschatologischen Auferstehung wird dieser in einen unsterblichen, unvergänglichen Körper verwandelt werden. Aber warum ist unser irdischer Leib ein soma psychikon? Lange dachte ich, dass dies aufgrund der Sünde (konkret: der Sünde Adams) so war. Schreibt Paulus nicht in Römer 5,12, dass „durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben“?

Doch als ich dann die Lehre des Paulus über Adam und Christus genauer untersuchte, erkannte ich, dass Paulus mitnichten lehrt, dass unser soma psychikon ein Ergebnis des Sündenfalls ist. Hier gilt es – und dies ist wichtig – zu beachten, dass Römer 5 unserem geistlichen Tod und unserer Verurteilung in Adam die Rechtfertigung und Gerechtigkeit in Christus gegenüberstellt, während in 1. Korinther 15 die Gegenüberstellung Adams und Christi nicht „juristisch“ ist (ungerecht vs. gerecht), sondern physisch.

In Römer 5,12-14 geht Paulus offenbar davon aus, dass es Menschen gibt, die zwischen der Zeit Adams und der Moses lebten und Übeltäter, aber keine Gesetzesbrecher waren. Mit anderen Worten: Sie waren moralisch böse, aber nicht für ihre Taten verantwortlich. Hören wir den Text:

Durch einen einzigen Menschen – Adam – hielt die Sünde in der Welt Einzug und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise ist der Tod zu allen Menschen gekommen, denn alle haben gesündigt. Auch damals, als es das Gesetz noch nicht gab, war die Sünde schon in der Welt; nur wird sie dort, wo es kein Gesetz gibt, nicht als Schuld angerechnet. Doch das ändert nichts daran, dass der Tod bereits in der Zeit von Adam bis Mose über die Menschen herrschte, selbst wenn sie kein ausdrückliches Gebot Gottes übertraten und somit nicht auf dieselbe Weise sündigten wie Adam. (Römer 5,12-14 NGÜ)

Unter den Auslegern scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass Paulus, indem er sagt, dass die Sünden (hamartiai) der Menschen von Adam bis Mose nicht wie die Übertretung (parabasis) Adams waren, genau diese Unterscheidung vornimmt: Da diese Menschen nicht das Gesetz haben, sind die bösen Dinge, die sie tun, nicht Übertretungen, d. h. das Brechen eines Gesetzes.

Aber – so Paulus – auch über diese Menschen herrschte der Tod, weil sie alle Sünder waren. Diese Behauptung scheint mir eine Unterscheidung zwischen dem Tod als einer Folge der Sünde und dem Tod als Strafe für die Sünde vorauszusetzen. Da diese Menschen für ihr Tun nicht vor einem Gesetz verantwortlich sind, können sie den Tod nicht „verdient“ haben; er ist keine Strafe, die die Gerechtigkeit fordern würde, sondern lediglich eine Folge ihrer Sünde. Dies zeigt, dass Paulus hier mit „Tod“ den geistlichen Tod meint. Es wäre absurd, zu denken, dass jeder Mensch körperlich unsterblich geboren wird, aber irgendwann durch seine erste Sünde den physischen Tod über sich bringt. Dagegen kann man sehr wohl behaupten, dass jeder Mensch durch seine Sünden den geistlichen Tod über sich bringt. Böses tun ist geistlich tödlich und entfremdet uns von Gott, sodass der geistliche Tod eine Folge der Sünde sein kann, auch wenn er (für Menschen, die kein Gesetz haben) keine Strafe für die Sünde darstellt. Im Rest von Römer 5 geht es darum, wie die Folgen der Sünde Adams – die mit Formulierungen beschrieben werden wie: „wenn durch die Übertretung des Einen die Vielen gestorben sind“ (V. 15), „denn das Urteil führt aus der einen Übertretung zur Verurteilung“ (V. 16), „wenn infolge der Übertretung des Einen der Tod zur Herrschaft kam durch den Einen“(V. 17), „wie es nun durch die Übertretung des Einen zur Verurteilung für alle Menschen kam“ (V. 18) und „gleichwie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern gemacht worden sind“ (V. 19) – durch Christus aufgehoben werden. Man beachte, dass diese Wende nicht durch die körperliche Auferstehung kommt, sondern durch die Rechtfertigung in Christus und seine Gerechtigkeit.

Dagegen geht es in 1. Korinther 15 um unsere Unsterblichkeit, und nicht um unsere Gerechtigkeit und Erlösung. „Denn weil der Tod durch einen Menschen kam, so kommt auch die Auferstehung von den Toten durch einen Menschen; denn gleichwie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1. Korinther 15,21-22). Hier spricht Paulus über den physischen Tod und seine Aufhebung durch die Auferstehung.

Es fällt weiter auf, dass in 1. Korinther 15,45-49 Paulus die Sterblichkeit des Menschen mit der Erschaffung Adams in Verbindung bringt, und nicht mit seinem Sündenfall:

Unser jetziger Körper entspricht dem, den Adam, der erste Mensch, bekam, als Gott ihn – wie die Schrift sagt – zu einem „lebendigen Wesen“ machte. Unser künftiger Körper hingegen entspricht dem, den Christus, der letzte Adam, bei seiner Auferstehung bekam – Christus, der uns durch seinen Geist lebendig macht. Aber wohlgemerkt: Nicht die durch Gottes Geist erneuerte Ordnung ist zuerst da, sondern die irdische Ordnung; die andere kommt erst danach. Der erste Adam war aus dem Staub der Erde gemacht; der zweite Adam hat seinen Ursprung im Himmel. So, wie der irdische Adam beschaffen war, sind alle beschaffen, die zur Erde gehören; und so, wie der himmlische Adam beschaffen ist, werden alle beschaffen sein, die zum Himmel gehören. Genauso, wie wir jetzt das Abbild des irdischen Adams sind, werden wir einmal das Abbild des himmlischen Adams sein. (1. Korinther 15,45-49 NGÜ)

In V. 45 lenkt Paulus‘ „wie die Schrift sagt“ sowie seine Paraphrase von 1. Mose 2,7 unser Augenmerk auf den biblischen Schöpfungsbericht. Paulus beschreibt Adam als den ersten Menschen, und zwar als physischen bzw. natürlichen (psychikos) Menschen, der aus dem Staub der Erde gemacht ist. Er war das erste Menschenwesen, das Gott erschuf, und er schuf ihn aus dem Staub, sodass er einen physischen Körper bekam. Indem er feststellt, dass wir alle das Abbild des irdischen Adams sind, sagt Paulus, dass jeder von uns einen irdischen Leib (soma psychikon) hat, der aus Staub erschaffen und mithin sterblich ist.

Anders als in Römer 5, zielt die typologische Gegenüberstellung Adams und Christi in 1. Korinther 15 auf den körperlichen Tod und die Auferstehung ab. Wir mögen vielleicht denken, dass der physische Tod die Folge von Adams Sünde ist, aber genau dies sagt Paulus nicht. Gordon Fee kommentiert 1. Korinther 15,45 wie folgt: „Der erste Adam, der eine lebendige psyche wurde, bekam damit bei seiner Erschaffung einen psychikos-Leib, d. h. einen Körper, der dem Verfall und dem Tod preisgegeben war. . . . Der letzte Adam dagegen, der seinen ‚geistlichen (verherrlichten) Leib‘ durch die Auferstehung bekam, . . . ist selber die Quelle des pneumatikos-Lebens wie des pneumatikos-Leibes.“[1] Demnach wäre Adam mit einem sterblichen physischen Leib erschaffen worden.

Für Paulus hat Adam also seinen soma psychikon durch seine Erschaffung bekommen, und nicht durch seine Sünde. Mit anderen Worten: Die physische Sterblichkeit ist der natürliche Zustand des Menschen. Wenn Paulus sagt, dass in Adam alle sterben, ist dies möglicherweise so zu verstehen, dass wir, wenn wir das gleiche menschliche Wesen haben wie Adam, folglich auch an seiner Sterblichkeit teilhaben.

Paulus‘ Interpretation der Schöpfungsgeschichte in 1. Mose 2 scheint mir zutreffend zu sein. Wie John Walton betont, spricht 1. Mose 3,19 („Denn du bist Staub, und zum Staub wirst du wieder zurückkehren!“) dafür, dass Adam und Eva aufgrund ihrer physischen Beschaffenheit sterblich waren.[2] Wenn Adam und Eva von Natur aus unsterblich gewesen wären, was hätte dann der Baum des Lebens (1. Mose 3,22) im Garten Eden gesollt? Er wäre unnötig gewesen, denn er diente ja dazu, den, der von ihm aß, physisch zu verjüngen und nicht geistlich. Das „ewig lebe“ in 1. Mose 3,22 meint nicht die geistliche Wiedergeburt, sondern ein körperliches ewiges Leben. Laut John Day geht heute die Mehrheit der Alttestamentler davon aus, dass Adam und Eva in dem Garten Eden sterblich waren, wie dies aus 1. Mose 3,22 erhellt.[3]

John Collins hat darauf hingewiesen, dass „der ‚Tod‘, den Gott in 1. Mose 2,17 den Menschen androht, falls sie von dem Baum der Erkenntnis essen sollten, der ‚geistliche Tod‘ ist, d.h. die Entfremdung von Gott. Dies wird deutlich, wenn wir uns in 1. Mose 3 anschauen, was dem ersten Menschenpaar passiert, als es Gott nicht gehorcht.“[4] Der einzige Sinn, in welchem man den physischen Tod als Folge der Sünde sehen könnte, ist ein indirekter: Der Tod ist eine Folge der Vertreibung Adams und Evas aus dem Garten Eden, die ja jede Hoffnung auf Unsterblichkeit, wie sie durch den Baum des Lebens symbolisiert wird, zunichtemacht. Wie Day treffend formuliert: „Was hier passiert ist, ist, dass sie eine Chance auf Unsterblichkeit vertan haben.“[5]

Wenn ich mir also die von Ihnen genannten drei Möglichkeiten anschaue, Peter, kann ich keiner zu 100 Prozent zustimmen. Meiner Position am nächsten kommt noch die Möglichkeit 1, in dem Sinne, dass Adam und Eva von Natur aus sterblich waren – aber dies bedeutet nicht, dass „Gott in das Universum von vornherein den Tod mit eingebaut“ hat, denn nach der Sündenfallgeschichte hatte Gott Adam und Eva den Baum des Lebens gegeben, um ihnen so lange, wie sie wollten, als Jungbrunnen zu dienen.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/writings/question-answer/the-relation-between-adams-sin-and-death/

[1] Gordon D. Fee, The First Epistle to the Corinthians, New International Commentary on the New Testament (Grand Rapids, Mich.: William B. Eerdmans, 1987), S. 789. – Jesus Christus hatte übrigens, obwohl er sündlos war, einen Körper, der psychikos und somit sterblich war. Erst bei seiner Auferstehung wurde sein Soma psychikon in einen soma pneumatikon verwandelt. Mithin kann man nicht sagen, dass der physische Tod allein eine Folge der persönlichen Sünde ist, oder Christus hätte nicht sterben können.

[2] John H. Walton, The Lost World of Adam and Eve: Genesis 2–3 and the Human Origins Debate, mit einem Beitrag von N.T. Wright (Downers Grove, Ill.: InterVarsity Press, 2015), S. 73. Walton geht jedoch fehl, wenn er glaubt, dass die Sterblichkeit von Adam und Eva nicht zu ihrer materiellen Erschaffung passe , ja aus ihr folge.

[3] John Day, From Creation to Babel: Studies in Genesis 1–11, Library of the Hebrew Bible/ Old Testament Studies 592 (London: Bloomsbury, 2013), S. 45f.

[4] John Collins, „Adam and Eve as Historical People, and Why It Matters“, [keine Quellenangabe], 62/3, September 2010, S. 158.

[5] Day, From Creation to Babel, S. 46.

– William Lane Craig

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