#493 Die Wichtigkeit der persönlichen Andacht und des Gebets
January 20, 2017
F
Sehr geehrter Prof. Craig,
vielen, vielen Dank, dass Sie in Ihrem „Reasonable Faith“- Podcast vom 11.08.2015 meine letzte E-Mail beantwortet haben. Ich habe mir das Podcast unterwegs im Bus angehört, auf dem Weg zu meiner Arbeitsstelle, und war ganz überrascht und gerührt. Vielen Dank.
Mit großem Interesse habe ich Ihr Q&A #52 über das Thema „Prioritäten und Produktivität“ gelesen. Ich fange gerade selber an, zu schreiben, und sehe das Schreiben als eine Art Gottesdienst, und jetzt habe ich ein paar Fragen:
Beten Sie während Ihrer Arbeit, so wie Augustinus? Wie beten Sie für Ihre Bücher und Artikel?
Wie halten Sie Ihre persönliche Andacht?
Haben Sie eine feste Gebetszeit zusammen mit Ihrer Frau?
Entschuldigen Sie bitte, wenn diese Fragen etwas persönlich sind, aber mir ist irgendwie klar, dass es für einen christlichen Intellektuellen das Allerwichtigste ist, immer zuerst zu beten und gut zu beten. Deswegen möchte ich wissen, wie Sie das halten.
Vielen Dank im Voraus.
Etienne
France
Prof. Craigs Antwort
A
Danke für Ihren Mut machenden Brief, Etienne! Ich möchte mein persönliches Andachtsleben nicht als das Nonplusultra hinstellen, aber Ihre Frage gibt mir die Gelegenheit, zu betonen, wie wichtig die persönliche Andacht im Leben eines Christen ist. Soweit mir bekannt, zeigen soziologische Studien, dass Christen, die regelmäßig ihre Bibel lesen und beten, mit größerer Wahrscheinlichkeit ihrem Glauben treu bleiben als Christen, die dies nicht tun. Jesus selber hat uns gezeigt, wie wichtig die regelmäßige persönliche Zwiesprache mit Gott ist. Wenn Jesus so etwas brauchte, dann wir erst recht!
Sie fragen, ob ich während meiner Arbeit bete, „wie Augustinus“. Ich habe mich lange gefragt, ob ich Gott bitten soll, mir bei meinem Studieren und Arbeiten die Wahrheit aufzuschließen, wie dies auch das Gebet von Augustinus und Anselm von Canterbury war. Ich habe mich schließlich dagegen entschieden – zum Teil aufgrund der Einsicht, dass Gott solche Gebete anderer Christen nicht erhört hat, wie ihre Meinungsverschiedenheiten (und erst recht ihre Irrtümer) zeigen. Gott lässt uns unseren eigenen Verstand benutzen, um die Wahrheit, die er uns geoffenbart hat (und die Wahrheit über sein Universum) zu erkennen und zu beschreiben. Dies ist ein Weg, der voller Irrtümer und Stolpersteine ist, aber wenn wir als Menschen echt frei sein wollen, geht es wohl nicht anders. Diese Wahrheitssuche ist, wie ich finde, ein Teil des großen „Projektes Menschheit“, das Gott uns anvertraut hat.
Wie ich für meine Bücher und Artikel bete? Ich bete in der Tat für sie, denn sie gehören ja zu der Berufung, die Gott mir gegeben hat. Konkret bete ich darum, dass Gott durch meine Schriften verherrlicht wird und dass er sie für den Aufbau seines Reiches gebraucht. Ich weiß, dass diese Artikel nicht perfekt sind und dass sie Fehler enthalten müssen, aber ich bitte Gott, durch sie seinen Namen zu verherrlichen, mehr Menschen in sein Reich hineinzuziehen und die, die bereits dazugehören, zu stärken. Und dann gebe ich einfach „mein Äußerstes für sein Höchstes“ und überlasse den Rest ihm.
Wie ich meine persönliche Andacht halte? Mit der persönlichen Andacht ist es ähnlich wie mit dem Ausgleichssport: Wenn sie nicht bald wieder einschlafen soll, müssen wir sie uns zu einer eisernen Gewohnheit machen, zu einem festen Bestandteil unseres Tagesablaufs, so selbstverständlich wie das Frühstück oder Zähneputzen. Für mich ist der beste Zeitpunkt der frühe Morgen, bevor meine Frau aufgestanden ist, denn wenn ich erst einmal anfange, über all das nachzudenken, was für diesen Tag auf meinem Programm steht, kann ich mich nicht mehr richtig auf das Bibellesen und Beten konzentrieren.
Ich beginne mit Gebet. Dann lese ich einen kurzen Abschnitt des griechischen Neuen Testaments, dazu manchmal den entsprechenden Abschnitt aus einem guten Bibelkommentar. Danach lese ich zwei Seiten von den vornizäischen und nizäischen Kirchenvätern. Sie glauben gar nicht, wie viele Bücher ich auf diese Weise im Laufe der Jahre durch bekommen habe. Dies ist ein Beispiel für das, was Jan und ich die „Schildkrötenmethode“ nennen, nach der bekannten Geschichte vom Hasen und der Schildkröte[1]. Der Beharrliche kommt als Erster ans Ziel, und wenn man nach einer Weile auf die zurückgelegte Strecke zurückschaut, staunt man nur so, wie viel man geschafft hat. Zum Schluss schlage ich, wenn ich noch Zeit habe, in dem Missionshandbuch Operation World irgendein Land auf und lese, wie es dort mit dem Evangelium steht.
Und jawohl, ich habe auch eine feste Gebetszeit mit meiner Frau. Einer der Vorteile des „leeren Nestes“ ist, dass man morgens keine Hektik mehr mit den Kindern hat, die pünktlich zur Schule müssen. Und so bleiben wir nach dem Frühstück noch sitzen und lesen eine Seite aus einem guten Andachtsbuch und beten zusammen. Wir beten meist beide, und mal mache ich den Anfang, mal Jan.
Wenn wir damit fertig sind, ist meine Frau für ihre Aufgaben gerüstet und ich für meine Bücher.
(Übers.: Dr. F. Lux)
Link to the original article in English: www.reasonablefaith.org/the-importance-of-personal-devotions
[1]
US-amerikanischer animierter Kurzfilm – Anm. d. Übers.
– William Lane Craig