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#365 Jesus prophezeit seine Auferstehung

#365 Jesus prophezeit seine Auferstehung

January 14, 2016

F

Sehr geehrter Herr Prof. Craig,

Ich schätze Ihre Arbeit sehr. Sie war meinem Glauben und meinem Dienst von großem Nutzen.

Ich habe eine Frage zur jüdischen Auferstehungserwartung im ersten Jahrhundert nach Christus. Sie schreiben (und da stimme ich Ihnen zu), alles spreche dafür, dass die Juden eine allgemeine Auferstehung am Ende der Zeit erwarteten (Joh 11,24), und nicht etwa einen sterbenden und wieder auferstehenden Messias zu ihren Lebzeiten. Dies ist wohl eine gute Widerlegung bestimmter Theorien, die die Auferstehung leugnen, indem sie sie als Schwindel oder Erfindung abtun oder die späteren Erscheinungen des Auferstandenen als Halluzination bezeichnen.

Meine Frage bezieht sich auf die Auferweckung mehrerer Leute von den Toten durch Jesus (Joh 11,43f; Mt 9,25; Lk 7,13-15), und dass Jesus seinen Tod und seine Auferstehung prophezeit hat (Mt 16,21; Mk 8,31 usf.). Haben nicht gerade diese Ereignisse und Voraussagen erst jene Erwartung seiner Jünger geweckt, er werde sterben und wieder auferstehen? Es erscheint kaum haltbar, auf der einen Seite zu behaupten, dass es keine Erwartung eines sterbenden und auferstehenden Messias gab, und auf der anderen Seite daran festzuhalten, Jesus habe seine radikalen persönlichen Ansprüche mit dem Hinweis auf seinen Tod und seine Auferstehung gerechtfertigt? Hörten ihm seine Jünger denn nicht zu? Oder verstanden sie ihn einfach nicht? Ich möchte gerne wissen, wie Sie darüber denken.

Travis

United States

Prof. Craigs Antwort

A

Ostern steht ins Haus; da ist eine Frage zur Auferstehung Jesu angebracht. Wer Travis’ Frage besser verstehen will, muss folgendes wissen. Eine der historischen Fakten, die jeder Historiker, der über das Schicksal Jesu berichten will, ins Kalkül ziehen muss, ist der Glaube seiner Jünger an die Auferstehung; es stellt sich die Frage, wo dieser Glaube herkam. Dass ein einzelner Mensch vor der endgeschichtlichen Auferstehung am Tag des Gerichts, also vor der allgemeinen Auferstehung von den Toten zu Herrlichkeit und Unsterblichkeit auferweckt werden sollte, ein solcher Gedanke war dem frühen Judentum fremd. Für einen Juden ist die Auferstehung zur Herrlichkeit und Unsterblichkeit (im Gegensatz zur bloßen Wiederbelebung ins sterbliche Leben wie im Fall jener, die Jesus von den Toten erweckt hatte) immer ein gemeinschaftliches Ereignis am Ende der Geschichte. Der Glaube der Jünger an Jesu Auferstehung zur Herrlichkeit und Unsterblichkeit – also das, was N. T. Wright als „radikalen Wechsel der jüdischen Auferstehungsüberzeugungen“ bezeichnet – bedarf einer guten Erklärung.

Ihre Frage, Travis, lautet: Können Jesu eigene Prophezeiungen seiner Auferstehung nicht eine ausreichende Erklärung dieses geänderten Glaubens bieten? Ich habe an anderer Stelle gesagt: nein, können sie nicht.

Zunächst gilt zu bedenken: Kritiker des Neuen Testaments verwenden dieses Argument nicht gegen die Auferstehung. Warum nicht? Ganz einfach: Weil Jesu Auferstehungsprophezeiungen weniger durch einschlägige Belege gedeckt sind als es das leere Grab und seine postmortalen Erscheinungen sind. Die meisten Kritiker glauben ja, man habe diese Prophezeiungen erst nachträglich in den Bericht über das Leben Jesu eingefügt. Anders gesagt: Man hielt diese Aussagen nicht für authentische Berichte über den geschichtlichen Jesus, sondern für theologische Rückprojektionen der Frühkirche, die irgendwann glaubte, Jesus sei von den Toten auferstanden. [1] Wenn Sie diese Voraussagen für echt erklären, dann müssen Sie auch die Tatsache des leeren Grabes und das spätere Erscheinen Jesu akzeptieren, denn diese Fakten werden durch die Belege wesentlich besser gestützt. Doch in diesem Fall sind die Fakten, die auf Jesu Auferstehung schließen lassen, ausgemachte Sache, und der Skeptizismus schlägt fehl.

Wie dem auch sei, falls Jesus diese Prophezeiungen tatsächlich ausgesprochen hatte, halte ich es für plausibel, dass Jesu Jünger, diese vor Ostern unmöglich verstanden haben konnten. In Anbetracht ihrer typisch jüdischen Geisteshaltung konnten sie einfach nicht begreifen, was Jesus meinte, wenn er von seiner Auferstehung sprach. Die Evangelien belegen das mehrfach, z. B. Mk 9,9-11.

Als sie vom Berg herunterkamen, gebot er ihnen, niemandem von dem zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Sohn des Menschen von den Toten auferstanden sei. Die Jünger stolperten über diese Aussage und diskutierten miteinander, was die Auferstehung von den Toten bedeuten könnte. Schließlich fragten sie ihn: „Warum sagen die Schriftgelehrten, dass zuvor Elia kommen müsse?“

Jesus prophezeit, er werden von den Toten zurückkehren, und wie reagieren die Jünger darauf? Mit der Frage: „Warum sagen die Schriftgelehrten, dass zuvor Elia kommen müsse?“ Das Judentum des 1. Jh. glaubte, der Prophet Elia werde kommen, bevor der große und schreckliche Tag des Herrn anbricht, der Gerichtstag, an dem die Toten auferstehen sollten. Der Gedanke an eine Auferstehung vor dem Ende der Welt war den Jüngern fremd, und daher verwirrten Jesu Voraussagen sie nur.

Die Jünger hatten in Anbetracht dieser Voraussagen selbst nach der Kreuzigung Jesu kaum geglaubt, dass Jesus auferstehen wird. Nach jüdischer Auferstehungsvorstellung hatten sie die Auferstehung am letzten Tag erwartet und nach jüdischem Brauch das Grab als Heiligtum betrachtet, in dem seine Gebeine bis zur endgeschichtlichen Auferstehung ruhten.

(Übers.: I. Carobbio; L:RN)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/jesus-predictions-of-his-own-resurrection

[1]

Bitte beachten Sie, dass ich – anders als Sie – nicht behauptet habe, Jesu Auferstehung „habe seine radikalen persönlichen Ansprüche mit dem Hinweis auf seinen Tod und seine Auferstehung gerechtfertigt“. Ich berufe mich hier weder auf die Echtheit dieser Voraussagen, noch ist es mir um deren Verteidigung zu tun. Ich beschränke mich vielmehr auf die Tatsachen, die die Neutestamentler generell anerkennen, und die umfassen auch den „radikalen persönlichen Anspruch“, der Messias zu sein. Mehr behaupte ich nicht.

– William Lane Craig

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